- 5. Limburg Open, Maastricht, Niederlande, 2011 -
10.06. - 13.06.
 

„Glory days well they'll pass you by“
(„Die tollen Zeiten gehen vorüber“)
 
Frank Modder mit großen Rochaden
Sebastian Müer verweigert Gewalt gegen Minderjährige

Passend zu dieser Meldung spielten Sebastian „El Basto“ Müer und ich das große Abschiedskonzert der Frühjahr-/Sommertour 2011 am Pfingstwochenende in den Niederlanden. Frei nach dem Motto „Wenn ich mich mit Maastricht vertrag’, kann ich auch vom Schengener abkommen!“ ging es zum Limburg Open in die niederländische Metropole, die für ihre Verträge zur Europäischen Union bekannt wurde. Es war übrigens unser erster Auftritt im Lande unserer westlichen Nachbarn, wie wir überrascht feststellen mussten, außer dem hier. Und ich dachte schon, wir würde nie da landen...

Die Stadt hat ca. 120000 Einwohner – und eine entsprechende Hotel- und Gastronomieszene, sollte man meinen. Allerdings war alles restlos ausgebucht. Ob Nobelherberge oder Hausboot – nichts mehr zu wollen! Also quartierten wir uns im Nachbarort Valkenburg ein, die 10 km Entfernung zum Spielsaal erwiesen sich als unproblematisch. Schwieriger war schon die Anfahrt selbst: Anscheinend – siehe Hotelbelegung – wollte alle Welt nach Maastricht. Für die letzten 4 km brauchten wir 45 Minuten. Mit einem Anruf „von unterwegs“ bei der Turnierleitung konnten wir allerdings unsere Teilnahme noch retten.

Alle Bilder wieder auch in etwas größerer Auflösung (einfach draufklicken)
 

Das Spiellokal, eine Sporthalle, von außen betrachtet.
Nein, das ist kein übriggebliebenes Bild vom
Neckar Open, sondern die Turnhalle in Maastricht.

Etwa 300 Teilnehmer hatten sich eingefunden zu einem siebenrundigen Turnier in drei Gruppen. Bedenkzeit war mit 2h/40+30 Standard. Gespielt wurde in der Sporthalle de Geusselt, also eine Turnhalle ähnlich wie beim Neckar Open. Die Toilettensituation war übrigens besser: Während beim Neckar für 700 Leute drei Toilettenkabinen zur Verfügung standen, waren es hier zwar nur deren zwei, aber bei lediglich 300 Teilnehmern gibt das einen bedeutend besseren Schnitt! Okay, immerhin konnte man die Toiletten des im 1. Stock befindlichen Restaurants nutzen, was ich dann am Ende des Turniers auch festgestellt habe.

El Basto spielte im A-Turnier zusammen mit u.a. 6 Großmeistern und 9 Internationalen Meistern. Da ich die notwendigen 2000 Ratingpunkte noch nicht ganz erreicht habe, musste ich noch einmal im B-Turnier antreten…

1. Turnierhälfte (Runden 1-3)

Für mich lief die erste Hälfte des Turniers sehr zufriedenstellend. In der Auftaktrunde gab es einen Schwarzsieg gegen einen spanischen 1700er, welcher im Mittelspiel in etwa ausgeglichener Stellung einen Bauern einstellte. Mit Weiß ging es dann gegen 1900. Hier habe ich mit langer Rochade und Bauernsturm am Königsflügel scharf gespielt, der Gegner konnte sich aber durch Figurentausch entlasten, wonach das Endspiel Remis gegeben wurde. Es folgte in Runde 3 ein 2000er mit Schwarz. Dieser machte am Damenflügel Druck und drang über die c-Linie auf meine 7. Reihe ein. In der Runde zuvor hatte ich allerdings gelernt, wie man so was macht: Ich führte durch Abtausch Entlastung herbei und hielt das Endspiel Remis. Mit 2,0 Pkt. aus drei Runden konnte ich bei dem Gegnerschnitt ganz gut leben.

El Basto war weniger zufrieden, hatte allerdings auch zwei Brocken zu verdauen. Zum Auftakt ging es gegen Großmeister Shchekachev. Sebastian verlor mit Schwarz, der Gegner konnte am Ende mit einem zentralen Freibauern viel Druck machen, aber El Basto war der Meinung, hier lange gut mitgehalten zu haben. Es folgte eine Weißpartie gegen einen 2000er, Sebastian gelang ein gut herausgespielter, positionell errungener ganzer Punkt. Danach stand allerdings mit dem starken IM Henrichs wieder ein Titelträger auf dem Lohnzettel. Sebastian geriet in eine scharfe Variante, kannte sich nicht gut aus und verlor diese Partie. Ein Punkt aus drei Runden war ihm zu wenig, aber die Gegner waren ja auch nicht so schlecht.
 

Der Spielsaal, mal nicht von der Empore aus.
IM Herman Grooten kommentiert Spitzenpartien.

2. Turnierhälfte – Runde 4

Die zweite Turnierhälfte begann für uns niederschmetternd, bei mir war sie sogar komplett ein Desaster. Gegen 1700 spielte ich mit Weiß ähnlich wie in Runde 2 scharf mit langer Rochade. Hier hatte ich wohl auch gute Angriffsaussichten, spielte aber nicht genau und geriet in ein schwieriges Endspiel. Das hielt ich lange, machte aber irgendwann einen Fehler und verlor. Noch dreckiger war es bei Sebastian. Sein Gegner war ein 1800er (niederländische Zahl knapp über 2000, darum hier startberechtigt). Allerdings erst 14 Jahre alt, also vielleicht ein Talent. El Basto schien nach hartem Kampf am Ende gewinnbringend einzudringen, doch der Gegner startete ein kleines kombinatorisches Feuerwerk und Sebastian konnte in schlimmster Zeitnot den Verlust nicht mehr abwenden.

Für mich ist es immer wie eine Folter, wenn ich sehe, wie Sebastian selbst in größter Zeitnot noch fein säuberlich die Züge notiert. Der Gegner überlegte an seinem 39. Zug und die elektronische Uhr zeigte an, daß El Basto noch genau 3 Sekunden für seinen letzten Zug verbleiben würden. Der Gegner zog schließlich, 3…, 2… - und Sebastian griff zu seinem Stift… Dann entschied er sich aber doch noch, erst schnell zu ziehen, bevor er den gegnerischen Zug notierte… Das muß ich El Basto (O-Ton: „Ich will doch meine Partienotation haben!“) nochmal abgewöhnen – und wenn ich ihm den Schreiber klauen muß! :-)

 „Wenn du gut werden willst, musst du die Kinder schlagen!“ – dieser seiner Maxime konnte Sebastian hier also leider nicht folgen. Für ihn war das mit 1,0 Pkt. aus 4 Runden der Tiefpunkt, danach sollte es allerdings besser laufen, während es bei mir nun erst richtig losging...
 

In Maastricht kann man eine recht ruhige Kugel schieben.
Diese Idylle sah man vom Fenster unseres Hotels in Valkenburg. In den Niederlanden gibt es also doch Berge.

Runden 5 und 6

Runde 5 brachte bei mir eine Eröffnungskatastrophe gegen 1900 mit Schwarz. Mein Damenflügel war nach 12 Zügen pulverisiert und kurz darauf gab ich auch auf. Somit hatte ich bis dato eine schöne, „stringente“ Leistungskurve nach unten hingelegt:

1. Runde: Gewonnen
2. Runde: Remis, aber immerhin noch lange besser gestanden
3. Runde: Remis, aber dies aus einer lange schlechteren Stellung heraus
4. Runde: Wieder lange schlechtere Stellung und diesmal wirklich verloren
5. Runde: Sehr schnell verloren

Nun war man gespannt: Würde als nächstes das Schäfermatt folgen? Nein. Es wurde eine schwierige Positionspartie gegen 1800. Als ich mir den Gegner endlich für den finalen Einschlag zurechtgelegt hatte, zögerte ich unnötigerweise und wollte noch einen Zug lang weiter vorbereiten mit einer Drohung. Damit hatte ich den Gewinn ausgelassen, denn der Gegner ignorierte die Drohung und opferte wie aus dem Nichts wie ein Maschinengewehr mehrere Figuren und ich konnte das Matt nicht abwehren – theoretisch möglich, aber in der Praxis zu komplex. Der Opferreigen war nicht schlecht für einen 1800er, das muss ich schon sagen. Damit war also meine dritte „lange Rochade“ in diesem Turnier perfekt.

Sebastian hatte in Runde 5 einen 2000er Gegner mit Schwarz. Dieser stand zwar irgendwann unter Druck, startete dann aber ein paar taktische Sachen und El Basto musste schon sehr genau spielen, um den Sieg sicherzustellen. Mit dem folgenden 2200er FM-Opa gab es dann erstmals einen Gegner auf Rating-Augenhöhe. Eine auf gutem Niveau stehende Positionspartie endete mit einem leistungsgerechten Remis.
 

Hut ab vor El Basto:
Die hier abgebildete Dunstkiepe wurde ebenso abgelegt...
wie diese hier. Beide bekamen von Sebastian
auf die Mütze. Man sollte eben vor ihm auf der ... sein.

Schlussrunde (Runde 7)

Mit zwei bzw. zweieinhalb Punkten war das Turnier für uns vor der letzten Runde bereits als Misserfolg anzusehen. In der finalen Partie entschieden wir uns dann beide dafür, für uns ungewöhnliche Eröffnungen zu spielen bzw. ließen diese zu. Da ich zuletzt mit Weiß Schwierigkeiten hatte, annehmbar aus der Eröffnung zu kommen, schlug Sebastian mir vor, 1. e4 zu spielen (O-Ton: „Schlimmer kann es ja sowieso nicht mehr werden!“). Mein Gegner war ein 11jähriges griechisches Talent mit 1700. Vielleicht hat die FIDE sich auch versehen, ich hätte ihn auf 14-15 Jahre geschätzt!? Den Sizilianer behandelte ich geschlossen, bekam ein paar Probleme und musste mich durch Abtausch entlasten. Das Endspiel war dann okay und ich hätte sicherlich noch weiterspielen können, aber die Motivation war nicht mehr da. Remis und 2,5 aus 7.

El Basto war auch nicht motivierter, da er erneut einen 1800er (diesmal mit Schwarz) bekommen hatte, wenn auch nicht aus der Kategorie Kind. Ein Königsindischer Angriff war hier von Weiß zu sehen, und Sebastian konnte sich auch nicht so recht an die Varianten erinnern. Dennoch gelang es ihm, dank seiner Spieltechnik den Gegner nach und nach zu überspielen, und der bessere Schachspieler ging am Ende als Sieger der Partie hervor. Mit 3,5 Punkten konnte Sebastian am Ende noch größere Ratingverluste abwehren. Danach traten wir den geordneten Rückzug aus den Niederlanden an.

Damit ist die Tournee beendet. Die Überschrift des Berichts entstand auf El Bastos Vorschlag hin, inspiriert von der Springsteen-CD, die auf der Rückfahrt lief. Sebastian und ich werden uns nunmehr auf unbestimmte Zeit in die heimischen Laboratorien zurückziehen, an unserem Repertoire feilen und an unserem Spiel arbeiten.

Ich hoffe, die Berichte haben in der Vergangenheit immer mal für ein wenig Kurzweil gesorgt, außerdem konnte die Seite so mit sinnvollen Inhalten gefüllt werden. Mal schauen, vielleicht wird es in der Zukunft hier nochmal das ein oder andere Abenteuer geben. Bis dahin jedoch verabschieden sich einstweilen
 

El Basto & D-Fens