Frank Modder
mit großen Rochaden
Sebastian Müer
verweigert Gewalt gegen Minderjährige
Passend zu dieser
Meldung spielten Sebastian „El Basto“ Müer und ich
das große Abschiedskonzert der Frühjahr-/Sommertour 2011 am
Pfingstwochenende in den Niederlanden. Frei nach dem Motto „Wenn ich mich
mit Maastricht vertrag’, kann ich auch vom Schengener abkommen!“ ging es
zum Limburg Open in die niederländische Metropole, die für ihre
Verträge zur Europäischen Union bekannt wurde. Es war übrigens
unser erster Auftritt im Lande unserer westlichen Nachbarn, wie wir überrascht
feststellen mussten, außer dem hier.
Und ich dachte schon, wir würde nie da landen...
Die Stadt hat ca. 120000
Einwohner – und eine entsprechende Hotel- und Gastronomieszene, sollte
man meinen. Allerdings war alles restlos ausgebucht. Ob Nobelherberge oder
Hausboot – nichts mehr zu wollen! Also quartierten wir uns im Nachbarort
Valkenburg ein, die 10 km Entfernung zum Spielsaal erwiesen sich als unproblematisch.
Schwieriger war schon die Anfahrt selbst: Anscheinend – siehe Hotelbelegung
– wollte alle Welt nach Maastricht. Für die letzten 4 km brauchten
wir 45 Minuten. Mit einem Anruf „von unterwegs“ bei der Turnierleitung
konnten wir allerdings unsere Teilnahme noch retten.
Alle Bilder wieder
auch in etwas größerer Auflösung (einfach draufklicken)
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Das Spiellokal,
eine Sporthalle, von außen betrachtet.
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Nein, das ist
kein übriggebliebenes Bild vom
Neckar
Open, sondern die Turnhalle in Maastricht.
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Etwa 300 Teilnehmer
hatten sich eingefunden zu einem siebenrundigen Turnier in drei Gruppen.
Bedenkzeit war mit 2h/40+30 Standard. Gespielt wurde in der Sporthalle
de Geusselt, also eine Turnhalle ähnlich wie beim Neckar
Open. Die Toilettensituation war übrigens besser: Während
beim Neckar für 700 Leute drei Toilettenkabinen zur Verfügung
standen, waren es hier zwar nur deren zwei, aber bei lediglich 300 Teilnehmern
gibt das einen bedeutend besseren Schnitt! Okay, immerhin konnte man die
Toiletten des im 1. Stock befindlichen Restaurants nutzen, was ich dann
am Ende des Turniers auch festgestellt habe.
El Basto spielte im
A-Turnier zusammen mit u.a. 6 Großmeistern und 9 Internationalen
Meistern. Da ich die notwendigen 2000 Ratingpunkte noch nicht ganz erreicht
habe, musste ich noch einmal im B-Turnier antreten…
1. Turnierhälfte
(Runden 1-3)
Für mich lief
die erste Hälfte des Turniers sehr zufriedenstellend. In der Auftaktrunde
gab es einen Schwarzsieg gegen einen spanischen 1700er, welcher im Mittelspiel
in etwa ausgeglichener Stellung einen Bauern einstellte. Mit Weiß
ging es dann gegen 1900. Hier habe ich mit langer Rochade und Bauernsturm
am Königsflügel scharf gespielt, der Gegner konnte sich aber
durch Figurentausch entlasten, wonach das Endspiel Remis gegeben wurde.
Es folgte in Runde 3 ein 2000er mit Schwarz. Dieser machte am Damenflügel
Druck und drang über die c-Linie auf meine 7. Reihe ein. In der Runde
zuvor hatte ich allerdings gelernt, wie man so was macht: Ich führte
durch Abtausch Entlastung herbei und hielt das Endspiel Remis. Mit 2,0
Pkt. aus drei Runden konnte ich bei dem Gegnerschnitt ganz gut leben.
El Basto war weniger
zufrieden, hatte allerdings auch zwei Brocken zu verdauen. Zum Auftakt
ging es gegen Großmeister Shchekachev. Sebastian verlor mit Schwarz,
der Gegner konnte am Ende mit einem zentralen Freibauern viel Druck machen,
aber El Basto war der Meinung, hier lange gut mitgehalten zu haben. Es
folgte eine Weißpartie gegen einen 2000er, Sebastian gelang ein gut
herausgespielter, positionell errungener ganzer Punkt. Danach stand allerdings
mit dem starken IM Henrichs wieder ein Titelträger auf dem Lohnzettel.
Sebastian geriet in eine scharfe Variante, kannte sich nicht gut aus und
verlor diese Partie. Ein Punkt aus drei Runden war ihm zu wenig, aber die
Gegner waren ja auch nicht so schlecht.
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Der Spielsaal,
mal nicht von der Empore aus.
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IM Herman Grooten
kommentiert Spitzenpartien.
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2. Turnierhälfte
– Runde 4
Die zweite Turnierhälfte
begann für uns niederschmetternd, bei mir war sie sogar komplett ein
Desaster. Gegen 1700 spielte ich mit Weiß ähnlich wie in Runde
2 scharf mit langer Rochade. Hier hatte ich wohl auch gute Angriffsaussichten,
spielte aber nicht genau und geriet in ein schwieriges Endspiel. Das hielt
ich lange, machte aber irgendwann einen Fehler und verlor. Noch dreckiger
war es bei Sebastian. Sein Gegner war ein 1800er (niederländische
Zahl knapp über 2000, darum hier startberechtigt). Allerdings erst
14 Jahre alt, also vielleicht ein Talent. El Basto schien nach hartem Kampf
am Ende gewinnbringend einzudringen, doch der Gegner startete ein kleines
kombinatorisches Feuerwerk und Sebastian konnte in schlimmster Zeitnot
den Verlust nicht mehr abwenden.
Für mich ist es
immer wie eine Folter, wenn ich sehe, wie Sebastian selbst in größter
Zeitnot noch fein säuberlich die Züge notiert. Der Gegner überlegte
an seinem 39. Zug und die elektronische Uhr zeigte an, daß El Basto
noch genau 3 Sekunden für seinen letzten Zug verbleiben würden.
Der Gegner zog schließlich, 3…, 2… - und Sebastian griff zu seinem
Stift… Dann entschied er sich aber doch noch, erst schnell zu ziehen, bevor
er den gegnerischen Zug notierte… Das muß ich El Basto (O-Ton: „Ich
will doch meine Partienotation haben!“) nochmal abgewöhnen – und wenn
ich ihm den Schreiber klauen muß! :-)
„Wenn du gut
werden willst, musst du die Kinder schlagen!“ – dieser seiner Maxime konnte
Sebastian hier also leider nicht folgen. Für ihn war das mit 1,0 Pkt.
aus 4 Runden der Tiefpunkt, danach sollte es allerdings besser laufen,
während es bei mir nun erst richtig losging...
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In Maastricht
kann man eine recht ruhige Kugel schieben.
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Diese Idylle sah
man vom Fenster unseres Hotels in Valkenburg. In den Niederlanden gibt
es also doch Berge.
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Runden 5 und 6
Runde 5 brachte bei
mir eine Eröffnungskatastrophe gegen 1900 mit Schwarz. Mein Damenflügel
war nach 12 Zügen pulverisiert und kurz darauf gab ich auch auf. Somit
hatte ich bis dato eine schöne, „stringente“ Leistungskurve nach unten
hingelegt:
1. Runde: Gewonnen
2. Runde: Remis, aber
immerhin noch lange besser gestanden
3. Runde: Remis, aber
dies aus einer lange schlechteren Stellung heraus
4. Runde: Wieder lange
schlechtere Stellung und diesmal wirklich verloren
5. Runde: Sehr schnell
verloren
Nun war man gespannt:
Würde als nächstes das Schäfermatt folgen? Nein. Es wurde
eine schwierige Positionspartie gegen 1800. Als ich mir den Gegner endlich
für den finalen Einschlag zurechtgelegt hatte, zögerte ich unnötigerweise
und wollte noch einen Zug lang weiter vorbereiten mit einer Drohung. Damit
hatte ich den Gewinn ausgelassen, denn der Gegner ignorierte die Drohung
und opferte wie aus dem Nichts wie ein Maschinengewehr mehrere Figuren
und ich konnte das Matt nicht abwehren – theoretisch möglich, aber
in der Praxis zu komplex. Der Opferreigen war nicht schlecht für einen
1800er, das muss ich schon sagen. Damit war also meine dritte „lange Rochade“
in diesem Turnier perfekt.
Sebastian hatte in
Runde 5 einen 2000er Gegner mit Schwarz. Dieser stand zwar irgendwann unter
Druck, startete dann aber ein paar taktische Sachen und El Basto musste schon sehr
genau spielen, um den Sieg sicherzustellen. Mit dem folgenden 2200er FM-Opa
gab es dann erstmals einen Gegner auf Rating-Augenhöhe. Eine auf gutem
Niveau stehende Positionspartie endete mit einem leistungsgerechten Remis.
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Hut ab vor El
Basto:
Die hier abgebildete
Dunstkiepe wurde ebenso abgelegt...
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wie diese hier.
Beide bekamen von Sebastian
auf die Mütze.
Man sollte eben vor ihm auf der ... sein.
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Schlussrunde (Runde
7)
Mit zwei bzw. zweieinhalb
Punkten war das Turnier für uns vor der letzten Runde bereits als
Misserfolg anzusehen. In der finalen Partie entschieden wir uns dann beide
dafür, für uns ungewöhnliche Eröffnungen zu spielen
bzw. ließen diese zu. Da ich zuletzt mit Weiß Schwierigkeiten
hatte, annehmbar aus der Eröffnung zu kommen, schlug Sebastian mir
vor, 1. e4 zu spielen (O-Ton: „Schlimmer kann es ja sowieso nicht mehr
werden!“). Mein Gegner war ein 11jähriges griechisches Talent mit 1700.
Vielleicht hat die FIDE sich auch versehen, ich hätte ihn auf 14-15
Jahre geschätzt!? Den Sizilianer behandelte ich geschlossen, bekam
ein paar Probleme und musste mich durch Abtausch entlasten. Das Endspiel
war dann okay und ich hätte sicherlich noch weiterspielen können,
aber die Motivation war nicht mehr da. Remis und 2,5 aus 7.
El Basto war auch nicht
motivierter, da er erneut einen 1800er (diesmal mit Schwarz) bekommen hatte,
wenn auch nicht aus der Kategorie Kind. Ein Königsindischer Angriff
war hier von Weiß zu sehen, und Sebastian konnte sich auch nicht
so recht an die Varianten erinnern. Dennoch gelang es ihm, dank seiner
Spieltechnik den Gegner nach und nach zu überspielen, und der bessere
Schachspieler ging am Ende als Sieger der Partie hervor. Mit 3,5 Punkten
konnte Sebastian am Ende noch größere Ratingverluste abwehren.
Danach traten wir den geordneten Rückzug aus den Niederlanden an.
Damit ist die Tournee
beendet. Die Überschrift des Berichts entstand auf El Bastos Vorschlag
hin, inspiriert von der Springsteen-CD, die auf der Rückfahrt lief.
Sebastian und ich werden uns nunmehr auf unbestimmte Zeit in die heimischen
Laboratorien zurückziehen, an unserem Repertoire feilen und an unserem
Spiel arbeiten.
Ich hoffe, die Berichte
haben in der Vergangenheit immer mal für ein wenig Kurzweil gesorgt,
außerdem konnte die Seite so mit sinnvollen Inhalten gefüllt
werden. Mal schauen, vielleicht wird es in der Zukunft hier nochmal das
ein oder andere Abenteuer geben. Bis dahin jedoch verabschieden sich einstweilen
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El Basto &
D-Fens
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