- 21. Weihnachtsopen, Erfurt, 2011 -
26.12. - 30.12.

 
Doppelcomeback in Erfurt und Verden
Teil 1: Erfurt
 
Drei Großmeistergegner für gut aufgelegten Sebastian Müer

Nach halbjähriger Turnierpause wagten Sebastian Müer und ich uns wieder zurück in die umkämpften Turnierarenen des Landes. Auf dem Programm standen das Weihnachtsturnier in Erfurt sowie die Niedersächsischen Landesmeisterschaften 2012 in Verden. In der turnierfreien Zeit konnten neue Eröffnungen vorbereitet und auch ein Auge auf das generelle Spiel geworfen werden. Die Frage war, was würde überwiegen: Das Training oder die fehlende Turnierpraxis?

Das Hauptziel - zumindest für Sebastian - waren sicherlich die Landesmeisterschaften, der Härtetest dafür war das Turnier in Erfurt. Die Landesmeisterschaften werden wir in Teil 2 betrachten. Das Weihnachtsopen war für uns bereits Erfurt III - nach unseren Auftritten dort in den Jahren 2006 und 2007. Gespielt werden, beginnend am zweiten Weihnachtstag, acht Runden Schweizer System mit der Bedenkzeitregelung 2 Stunden für 40 Züge, 30 Minuten für den Rest. Neben einem Seniorenturnier bietet Erfurt ein Amateur- (Obergrenze Wertungszahl 1600) sowie ein Hauptturnier (Obergrenze 2000). Die "Königsklasse" ist allerdings das sog. Meisterturnier, wofür 1900 Punkte minimal notwendig sind. Hier starteten Sebastian und ich.

Gespielt wurde im Radisson-Hotel, wo wir auch wohnten. Von der 17. Etage aus konnte man während der Partien einen tollen Blick auf die Erfurter Altstadt werfen. Das Turnier sah insgesamt ca. 200 Teilnehmer, davon ca. 70 im Meisterturnier. Sebastian war an Platz 16 gesetzt und hoffte sicherlich auf eine Position in den Top 10. Nachdem also am 26. Dezember der Weihnachtsbraten beiseite geschoben wurde, ging es auf die von Bremen aus ca. vierstündige Anreise nach Erfurt und dann am Abend gleich ans Brett. Mit am Start mehrere Großmeister, als Nr. 1 der Setzliste dabei der Ukrainer Zubarev mit ca. 2600 Wertungspunkten.
 

Das Hotel liegt direkt in der Erfurter Altstadt.
Blick in den Meisterturniersaal.
 
1. Turnierhälfte (Runden 1-4)

Sebastian besiegte zum Auftakt Schachfreund Volker Janssen aus Wildeshausen (1952), bevor in Runde zwei mit Mathias Womacka bereits der erste Großmeister wartete. Mit Schwarz eine harte Aufgabe, aber für das weitere Turnier war es eine sehr wichtige Partie. Der GM versuchte zwar taktisch, einen Bauerngewinn herauszukneten, aber Sebastian hielt alles gut zusammen und auch die Maschinen konnten hinterher keine Probleme für Schwarz sehen. Nach Damentausch ging die Partie in ein Endspiel mit jeweils Turm und Springer. Sebastian aktivierte seinen Turm und konnte Dauerschachdrohungen aufstellen, worauf sein Gegner ein Remis anbot.

In Runde drei wartete ein Gegner mit 2064 Punkten, der von Sebastian besiegt werden konnte, bevor es mit Schwarz gegen 2144 ging. Diese Partie war ein echtes Schmankerl und eine positionelle Glanzleistung von Sebastian. Der Gegner wurde in einem soliden System ausmanövriert und dann mit einer schönen Schlußkombination ausgeknockt. Mit 3,5 Punkten aus vier Runden hatte Sebastian also bis dahin ein sehr starkes Turnier gespielt.

Bei mir lief es durchwachsener: Zum Auftakt wäre ich mit meinem "traditionellen" Erfurter Startremis gegen 2076 zufrieden gewesen. Mein Gegner baute aber mit Schwarz am Königsflügel Druck auf. Vielleicht habe ich dort etwas zu sehr verteidigt, anstatt auf Gegenspiel am Damenflügel zu setzen. Dennoch konnte ich schließlich in ein einfaches Turmendspiel abwickeln und meinen Turm aktivieren. Ich hatte einen Mehrbauern, aber der Gegner drang mit dem König ein. Ich hielt meine Stellung für kritisch, doch mein Gegenüber fand nicht mehr als ein Dauerschach. Remis also. Mission erfüllt!

Der nächste Gegner war allerdings ein Titelträger (2262). Er setzte mir eine Eröffnungsneuerung vor, die zwar nicht korrekt war, aber die ich am Brett nicht widerlegen konnte. Ich geriet in die Defensive und konnte mich lediglich noch eine zeitlang verteidigen, bevor die Null stand. Eine harte Schlacht gegen 2008 folgte. Ich stand hier schlechter, hatte aber noch ein paar taktische Ideen. Leider ließ ich hier einen Bauerngewinn aus, der die Stellung für mich wieder ausgeglichen hätte. Es gab noch eine Zeitnotphase, aber ich geriet in ein verlorenes Endspiel.

Die vierte Runde brachte mir Sebastians Gegner aus der Auftaktrunde, Volker Janssen. Gegen ihn hatte ich bereits vor vier Jahren in Erfurt gespielt. Ich bereitete eine andere Eröffnungsvariante vor, die auch auf das Brett kam. Mein Gegner gewann im Mittelspiel eine Qualität, ich hatte aber mit einem Bauern und dem Läuferpaar ausreichende Kompensation. Der Königsangriff von mir führte letztlich zu einer Zugwiederholung. Ein leistungsgerechtes Unentschieden. Meine 1,0/4 sahen natürlich auf dem Papier nicht gut aus, auch wenn die Turnierleistung noch etwa im Rahmen meiner eigenen Zahl lag. Allerdings war ich auch in der Setzliste fast ganz am Ende.
 

Für Sebastian gab es in Erfurt nur selten auf die Mütze.
Sebastian bei der Analyse mit Jan Krensing.
 
2. Turnierhälfte (Runden 5-8)

Sebastian machte in Runde 5 mit einem positiven Ergebnis weiter. Sein Gegner war mit Jan Krensing (2246) ein weiterer Niedersachse. Remis mit Weiß scheint hier mit Blick auf die Zahlen eher ein normales Ergebnis, aber Krensing zeigte bereits in der Folgerunde eine sehr beachtenswerte Leistung: Er lehnte ausgangs der Eröffnung gegen den Topgesetzten Zubarev ein Remis ab und holte sich am Ende den ganzen Punkt. Sebastian brauchte also mit seinem Remis gegen diesen Gegner nicht unzufrieden zu sein.

Nun kam es für ihn allerdings sehr hart: In den beiden folgenden Runden warteten zwei Großmeister! Sebastian mußte lange warten, bis er gegen Großmeister spielen konnte, mit diesem Turnier kamen sie gleich in Serie. Zunächst gab es ein hartes Gefecht gegen Jens-Uwe Maiwald. Mit Schwarz ist Sebastian hier knapp an einem Remis vorbeigegangen. Die Entscheidung fiel in der Zeitnotphase: Maiwald stand hier sicherlich schon etwas besser, aber mit den letzten Sekunden stellte Sebastian im 39. Zug einen Turm ein.

War dies zumindest ein Kampf auf annähernd Augenhöhe, so gab es in Runde 7 gegen Alexandr Karpatchev, einem "alten Bekannten" vom NordWest-Cup in Bad Zwischenahn, nicht viel zu ernten. Der Meister erwischte "El Basto" eröffnungsseitig etwas auf dem falschen Fuß. Sebastian machte zwar noch das Beste daraus, blieb aber unter Druck und mußte irgendwann auch  Material abgeben. Das war hier auch entscheidend. Am letzten Turniertag gab es noch einmal eine Runde, Sebastian hatte sich leider mittlerweile eine starke Erkältung zugezogen und hätte die Partie eigentlich gar nicht spielen können. Wie immer ist das Aussetzen für Sebastian keine Alternative, und er trat an. Er verlor mit Schwarz gegen 2057 aber relativ schnell.

Ich selber spielte die zweite Turnierhälfte ähnlich wie die erste. Eine Niederlage mit Weiß gegen 1966 gab es in Runde fünf. In einem Doppelturmendspiel waren seine Schwerfiguren aktiver als meine, ich konnte es nicht halten. Ein beinharter Fight folgte gegen 2014. Mein Gegner machte mit Weiß jede Menge Druck, aber es gelang mir, die Stellung ausgeglichen durchs Mittelspiel zu führen. Hier stampfte ich einen Bauern ein, konnte danach aber noch eine Menge taktischer Sachen mit den Türmen und den Läufern drohen. Nach Ende der Zeitnot hatte ich den Bauern zurück und einen schönen Freibauern, er allerdings stellte mit Dame, Turm und Läufer gefährliche Mattdrohungen auf. Da keiner weiterkam, vereinbarten wir ein Remis.

In der siebten Runde konnte ich gegen 1913 endlich eine meiner Eröffnungsneuerungen anwenden und stand gut. Ich stürmte aber zu ungeduldig vor und fand mich schließlich doch wieder in einer Verteidungsstellung ein. Mein Gegner bekam Turm und zwei Leichtfiguren für seine Dame, das Endspiel war für mich verloren. Am letzten Spieltag gelang mir gegen knapp 1800 die erste Gewinnpartie des Turniers. Mein Gegner stand ausgangs der Eröffnung bereits etwas schlechter, als er die Züge vertauschte, wie man so sagt, und eine Figur einstellte. 2,5 Punkte am Ende waren ein für mich lediglich "normales" Ergebnis.

Fazit:

Für Sebastian ein sehr starkes Turnier. Man darf natürlich die letzte Runde nicht mitbetrachten, die unter ungünstigen Umständen gespielt wurde. In den anderen sieben Runden spielte Sebastian stark und ideenreich, und bis auf Krensing konnten ihm nur Großmeister etwas abnehmen. Gegen diese spielte er auf gutem Niveau mit und konnte in einem Fall sogar etwas Zählbares herausholen. Es gab einen Zuwachs an DWZ und ELO, der fiel aber auf Grund der letzten Partie nur sehr gering aus.

Dasselbe war auch bei mir der Fall: Geringer Zuwachs. Allerdings hatte ich das Gefühl, ein sehr schlechtes Turnier gespielt zu haben. Mir fehlten teilweise Ideen und Phantasie. Häufig wurde ich erst in schlechter Lage richtig "wach" und konnte noch halbe Punkte retten. Das man mit so einer Leistung noch im Plus landet, hat mich schon etwas gewundert, läßt aber doch für kommende Aufgaben noch hoffen.

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Weiter zu Teil 2 des Comebacks.

Hier noch zwei Links zum Turnier:

Turnierseite

DWZ-Auswertung

- frank modder, 06.01.2012
 

Erfurt II in 2007: Ob ich und...
... El Basto nochmal hoch hinaus kommen?