- Hans Wild Gedenkturnier 2016 -
Bremen
16.09. - 18.09.
 

Sebastian im Turnierfieber
Auf dem Weg zum FM
 
Dramatik pur in Bremen

Nach dem gelungenen Auftritt in Pardubice wollte Sebastian das Hans Wild Wochenendturnier in Bremen nutzen, um vor der Deutschen Meisterschaft Ende Oktober in Lübeck noch ein wenig Praxis zu bekommen und um seine Zahl etwas näher an die 2300er Punktemarke heranzuschieben, die den FM-Titel für ihn bedeuten würden. In Tschechien war Sebastians Turnierleistung bei knapp 2400 Punkten, und hier sollte er tatsächlich noch einen draufsetzen.

Gespielt wurde in Bremen in 6er Gruppen, wobei diese nach Wertungszahl sortiert waren (DWZ/ELO, der höhere Wert gab den Ausschlag). Innerhalb der Gruppen wurde nach Rundensystem gespielt, ergo für Jeden 5 Partien. Bedenkzeit war 2/40+30, also ohne Inkrement, was man schon gar nicht mehr gewohnt ist und was wieder zu hanebüchenen Situationen führte. Sebastian startete in Gruppe B. Wir fuhren zu Dritt vom SK Union Oldenburg: neben mir fuhr noch Sebastians früherer Mannschaftskollege vom SV Norden, Carsten de Vries mit, der in der neuen Saison - wie auch ich - für die Oldenburger auflaufen wird. Ich startete in Gruppe D, Carsten musste mit seiner alten Zahl in der vorletzten Gruppe antreten.

Freitag

Machen wir es kurz und schmerzvoll (für seine Gegner) und fokussieren uns auf Sebastians Partien, da war jede Menge Action. Auf das sonstige Abschneiden werde ich dann am Ende kurz noch eingehen. Sebastian traf zum Auftakt auf den FM Pogan, welcher ein paar Jahre jünger als er selber ist und in etwa dieselben Wertungszahlen vor dem Turnier aufwies. Nachteil: Bast hatte Schwarz, auch hier wieder ein Turnier mit einer Schwarzpartie mehr für ihn. In der Eröffnung vertauschte Sebastian die Züge und bot bereits nach 10 Zügen ein Remis an. Der Gegner lehnte ab, aber es lief für ihn wohl nicht so vorteilhaft wie gedacht und er bot selber nur 5 Züge später an. Aber wann nimmt Bast schon mal ein Remis an? :-)

In der Folge spielte Sebastian mit dem isolierten Damenbauern. Er versuchte, ihn in Szene zu setzen, aber dieser wurde im Endspiel Dame+Leichtfigur doch schwach. Bast opferte dann seine Leichtfigur gegen zwei Bauern. Ein Dauerschach hatte er bereits sicher, als sein Gegner nach eigenen Worten „erschöpft“ seine Figur einstellte und das Damenendspiel mit zwei Minusbauern aufgab:
 

FM Pogan (2236) - Müer (2258)
Stellung nach dem
52. Zug von Schwarz

Schwarz scheint bereits außer Verlustgefahr und hatte bereits ein Dauerschach nach 53. Sxg6 Df3+ 54. Kd2  Dg2+ 55. Kd1 Dh1+ 56. Kc2 Dh2+. Hier griff Weiß fehl mit 57. Kd1? Dh5+ und gab auf. In der Notation verzichte ich wie gehabt auf zwei „??“. Die Zahlen in den Klammern sind ELO.

Samstag

Gegner in Runde 2, erneut mit Schwarz, war der Bremer Hundack, ein 2000er derzeit (DWZ), der aber deutlich stärker spielen kann und auch schon im 2200er Bereich unterwegs war. Sebastian wählte irgendwann eine scharfe Fortsetzung und vermied in gegnerischer Zeitnot eine Remisabwicklung. Dabei überzog er und stand nach der Zeitkontrolle auf Verlust. Dennoch stellte er weiter Probleme und der Gegner kam in Gewinnstellung nachher wieder in Zeitnot - wie gesagt, ein Inkrement gab es nicht. Sebastian schlug bei ca. 1:30 min. Rest für den Gegner Remis vor, aber Weiß wollte spielen und dann passierte Folgendes:
 

Hundack (2149) - Müer (2258)
Stellung nach dem
69. Zug von Schwarz

Weiß hat zwei Freibauern und der König unterstützt diese scheinbar. Aber Weiß machte in dieser Phase insignifikant erscheinende Züge mit dem Turm auf der g-Linie. Klar, Zeitnot… Zunächst nahm er einen Bauern auf g6, und nun spielte er 70. Tg7+ (es gewann z.B. am schnellsten 70. Txd6 nebst Kb7 etc.) … Kc6 71. Tg5 Tf2 72. Tg7 Tf8. Weiß hat anscheinend keinen Gewinnplan und sein König befindet sich hier in Gefahr. Ein weiterer Zug mit dem Turm auf der g-Linie war notwendig, aber es folgte 73. Le6? Sb5#. Man sollte anmerken, dass Weiß für den Rest der Partie noch ca. 20 Sekunden hatte, als der Fehler kam. Erneut also sprang El Basto dem Teufel nicht nur von der Schippe, sondern er konnte sie ihm auch gleich selber überbraten.

In der Nachmittagspartie ging es erstmals mit den weißen Steinen zur Sache, Gegner war der Topgesetzte dieser Gruppe, FM Müller, welcher Vizeweltmeister der Blindenspieler ist und der zuletzt auch starke Ergebnisse bei der Schacholympiade in Baku erzielte. Hier spielte Sebastian positionell stark gegen seinen soliden Gegner, wobei er im Endspiel Chancen hatte, in Vorteil zu kommen. Nachdem sich in einem Leichtfigurenendspiel aber alle Bauern am Damenflügel wegzutauschen schienen, bot Sebastian Remis an. Drei Partien nacheinander mit Remis-Angeboten von Bast - wann hat man sowas schonmal erlebt!

Sonntag

Am letzten Spieltag ging es gegen zwei junge Nachwuchstalente vom SK Wildeshausen. Zunächst gegen Duc Ngo, welcher bis dato noch nichts Zählbares im Turnier geholt hatte, aber der immer in der Lage ist, einen rauszuhauen, wie man so sagt. Sebastian zudem mit Schwarz, es roch also nach einer Grillpartie. Aber Weiß spielte überraschend 1. d4, und auf Sf6 folgte… c3! In der Folge entwickelte sich aber wirklich ein hitziges Gefecht, in welchem Duc in schwieriger Lage zwei Figuren für Turm und Bauer gab. Der kritische Moment der Partie war wohl dieser:
 

Ngo (2105) - Müer (2258)
Stellung nach dem
33. Zug von Schwarz

Notwendig war hier wohl der Tausch auf e8 nebst Td8, was Weiß wohl auf Grund des offener postierten schwarzen Königs Ausgleich für die Qualität gab. Es folgte in der Partie jedoch 34. hxg5 Txe4 35. fxe4 Dxg5, und nach dem nun schwachen 36. a3 stand Schwarz nach ... Sg6 bereits auf Gewinn. Er setzte dies technisch einwandfrei um.

Mit 3,5 Punkten aus 4 Runden war Sebastian trotzdem nicht Tabellenführer. Sein letzter Gegner, Jari Reuker, hatte 100%... Aber Sebastian Weiß in ihrer entscheidenden Begegnung. Er wollte seinen Gegner mit einer Eröffnungsvariante überraschen, mit der dieser nicht rechnen konnte, allerdings hatte Jari diese zufällig mal analysiert und erzielte Ausgleich. Letztlich erreichte man das folgende Endspiel:
 

Müer (2258) - Reuker (2179)
Stellung nach dem
25. Zug von Weiß

Schwarz stand nun vor der Wahl, auch noch die Läufer abzutauschen. Wenn er das will, sollte er es aber wohl mit Kf8 machen, was nach einem Tausch gleich seinen König aktivieren würde. Jedoch 25. … Lxc5?! 26. Sxc5, was gleich mal den Springer von Weiß beförderte. In einem Springerendspiel hat Weiß noch die meisten Chancen. Bereits wenige Züge später hatte Sebastian bereits Vorteile durch einen besser postierten König, welcher in der Folge den Bauern auf dem Damenflügel abholte. Das schwarze Spiel auf der anderen Brettseite war nicht schnell genug. Hier das nette Finale:
 

Müer (2258) - Reuker (2179)
Stellung nach dem
47. Zug von Weiß

Es folgte 47. … Sc5 (nichts anderes half) 48. Se4+! (nur so) Sxe4 49. fxe4 Ke3 50. b4 Kxe4 51. b5 Kf3 52. b6 und der weiße Bauer war schneller als der Gegnerische, die Dame hatte dann keine Mühe, den Bauern von Schwarz einen Zug vor der Umwandlung aufzuhalten. Chapeau! Auf der Ziellinie überholte Sebastian seinen Gegner und sicherte sich den Sieg in der Gruppe B. Noch wichtiger war allerdings die Turnierperformance von über 2500 und ein ELO-Zuwachs von 30 Punkten, was unseren Mann auf eine neue Wertungszahl von 2288 hieven wird.

Frank

Mein Turnier nur in Kürze, denn es dauerte eigentlich nur zwei Runden: Mir gelang ein Auftaktsieg gegen 1900. Eine nicht unsinnige Partie, wobei ich im Endspiel aber einen kritischen Moment überstehen musste. Wir beide übersahen in einer Situation einen kombinatorischen Bauerngewinn für meinen Gegner. Das ruiniert natürlich den Sieg etwas. Jedenfalls konnte ich wenig später ähnlich wie Sebastian in ein gewonnenes Bauernendspiel abwickeln:
 

Modder - Lex
Stellung nach dem
33. Zug von Weiß

Ich denke, ich stehe hier bereits sehr gut dank der deutlich besseren Leichtfigur. Es folgte aber das schnelle Ende nach 33. … g5? 34. Lxb6 axb6 35. a4 Ke6 36. a5 bxa5 37. Bxa5 Kd5 38. Kd2 und mein König machte Beute am Königsflügel, während seiner mit dem a-Bauern beschäftigt ist. Eigentlich banal, aber was soll ich zeigen von meinen Partien…

Noch ein letztes Diagramm. In der zweiten Runde gegen einen jungen 1800er hatte ich zwei Bauern mehr, wobei mich auch latenter gegnerischer Druck nicht störte, und innerlich plante ich bereist mit dem zweiten Punkt. Ein kurzer Eindruck der Lage:
 

Evering - Modder
Stellung nach dem
43. Zug von Weiß

Hier hätte ich einfach 43. … Sf7 spielen sollen, was ich schon mehrere Züge lang vorhatte. Danach ist die Stellung wohl relativ platt, das Opfer auf g6 scheint auch nicht wirklich zu reichen. Später übersah ich in immer noch besserer Stellung ein einfaches Grundreihenmotiv und musste die Segel streichen, da eine Figur verloren ging. Insgesamt eine Partie auf unheimlich schwachem Niveau, auch in der Eröffnung bereits. Bei meinem Gegner vielleicht noch entschuldbar wegen des jungen Alters, bei mir nicht.

Danach war das Turnier für mich gelaufen. Ich spielte noch zwei völlig uninspirierte Kurzremisen und schaffte es in einer weiteren Partie gegen einen jungen Gegner, nochmal ein niedrigeres Niveau zu erreichen als in der ersten Verlustpartie. Man kann schlecht spielen, aber was in diesen Verlustpartien geschah, ist auch mit einem allgemein nicht hohen Niveau nicht zu erklären, ich spielte Züge, die gar nicht in Betracht kommen. Nun denn! 16 DWZ Minus sind nicht das Problem. Aber nach der Landesmeisterschaft im Januar ein weiterer, absoluter Tiefpunkt in nur einem Jahr.

Das (Schach)Leben der anderen

Es gab eine Menge interessanter Partien und teils auch dramatischer Momente, ein paar Beispiele nur an dieser Stelle:
 

de Vries - Block
Weiß am Zug

Unser Mitfahrer Carsten stand hier mit Weiß wohl ohnehin schon mindestens sehr gut, aber er konnte den entscheidenden Einschlag finden: Lxh6!. Denn der Läufer ist tabu: 1. … gxh6 2. Dxh6 und der Sf6 hängt, außerdem droht Weiß Sh5 mit Matt auf g7 und Ablenkung des Sf6 vom Feld h7. Ganz ok für einen Spieler mit jahrelanger Abstinenz vom Turnierbrett. Am Ende waren 3,5 Punkte und Platz 2 in seiner Gruppe für den Oldenburger durchaus zufriedenstellend.

Dramatischer ging es zur Sache bei David Höffer gegen Christian Richter. Hier haben wir ein Beispiel für den Nachteil einer fehlenden Inkrementregelung. In der Partie hatte der IM mit Schwarz längere Zeit eine gewonnene Stellung auf dem Brett, aber am Ende hatten beide Spieler weniger als eine Minute Bedenkzeit, und die Stellung war wieder ausgeglichen - bis Weiß den Sekundentot starb:
 

FM Höffer (2303) - IM Richter (2360)
Stellung nach dem
95. Zug von Weiß

Beide Spieler hatten noch wenige Sekunden, aber Weiß war diesbezüglich etwas schlimmer dran. Die Stellung ist Remis, was Weiß mit Dh5+ erzielen könnte, dank eines Pattmotives. Aber dann würden noch ein paar Züge folgen, für die Weiß keine Zeit mehr hätte, und man muss es so schnell auch erstmal finden. Es folgte 95. Dc8?, wonach Schwarz mit Df1+ nebst Sf3 hätte mattsetzen können. Doch auch Schwarz spielte schnell und machte … Dxg3?. Blitzschnell folgte 96. Dc6+ Se6. Und nun führte 97. Dex6! zum Remis. Aber die Zeit! Vor diesem Zug - ich stand daneben - hatte Weiß 2 Sekunden auf der Uhr, Schwarz deren 8. David schlug a tempo auf e6, aber dabei warf er Material um und konnte die Uhr nicht mehr drücken… 0-1. Wenn Schwarz schlägt, ist es sofort Patt, allerdings hätte Schwarz ja theoretisch noch Königszüge machen können, ergo hätte er demnach dennoch nach ein bis zwei weiteren Zügen gewonnen. Ja, mit Inkrement hätte es all diesen Quatsch nicht gegeben…

Abschließend noch etwas für lange Sonntagnachmittage zum Tüfteln. Unser alter Freund und Kupferstecher Duc „erreichte“ mit Schwarz die folgende Stellung in seiner Partie gegen den ebenfalls schon erwähnten Schachfreund Hundack:
 

Hundack (2149) - Ngo (2105)
Stellung nach dem
26. Zug von Weiß

Hier gab der Ducster, vermutlich angesichts 26. … Kxf6 27. Tc8 Txc8 28. Txc8, bereits die Partie auf. Das will ich nicht kritisieren, nach 0 aus 4 im Turnier will man sowas nicht auch noch ewig verteidigen müssen... Allerdings hatte sein Gegner sogar 0 aus 9, wenn man das Gedenkturnier im Vorjahr mitrechnet...

Wir gehen mal davon aus, dass Weiß ein Turmpaar getauscht hätte, gemäß der bekannten Regel in solchen Fällen (er verbliebe als Einziger mit einer Schwerfigur). Aber einen Gewinnweg muss Weiß hier erst noch herausarbeiten. Die Meinungen gingen hier etwas auseinander. Weiß könnte z.B. a6 erzwingen und dann mit dem König nach b6 laufen und mit dem Turm auf b7 schlagen. Sieht aber langsam aus und man muss erstmal nach b6 gelangen. Ausserdem kann auch Schwarz versuchen, im Zentrum einen Bauern zu peitschen. Mit der ungeklärten Frage über das Schicksal dieser Stellung beenden wir den Bericht!

Sonstiges

Also Sieg in der B-Gruppe für Sebastian, der natürlich lieber in der Topgruppe gespielt hätte. Dort gab es einen Doppelsieg für den gastgebenden Verein durch Sven Joachim vor Christian Richter. Es folgten punktgleich der vierte Oldenburger im Feld, Martin Breutigam und David Höffer. Nunmehr folgt eine längere Turnierpause, zumindest für mich. Für Sebastian steht im Oktober die Deutsche Meisterschaft in Lübeck auf dem  Programm. Da könnte dann tatsächlich der FM fallen. Wir sind gespannt!
 

V.l.n.r.: Dr. Höpfner (Vors. Werder Bremen Schachabtl.), Sebastian, Jari Reuker und Olaf Steffens (Bundesligamanager W. Bremen)

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 21.09.2016

El Basto Manager.
So wird man natürlich im
grün-weißen Land auch nichts.
:-)

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