Zwischen den
Jahren unterwegs
Ausgerichtet und initiiert
von Schachfreund David Kardoeus und unterstützt vom SV Werder ging
erstmalig das Silvester Open in Bremen über die Bühne. Eigentlich
war ein Auftritt von uns in Erfurt analog
zu 2016 angesagt, aber letztlich war dort das Hotel belegt
und wir entschieden uns für das Bremer Turnier. Laut Internetauftritt
des neuen Veranstalters, imperialchess.org, lautet die Philosophie dort,
möglichst gute Spielbedingungen anzubieten (O-Ton: Königliche
Qualität rund um das königliche Spiel). Ob das gelungen ist,
werden wir im Fazit sehen.
7 Runden Schweizer
System mit der Bedenkzeit Fischer Kurz wurden gespielt. Los ging es am
27.12., einen Tag später als in Erfurt, man konnte sich also ganz
den Weihnachtstagen daheim hingeben. Wir pendelten täglich von Oldenburg
mit dem Auto, welches fünf Mitfahrer vom SK Union hatte. Neben Sebastian
und mir fuhr Marc Schütte aus der 1. Mannschaft mit sowie unsere
Nachwuchsspieler Maik Schäfer und Lennart Höhn, Letztgenannter
gab sein Turnierdebüt.
|
Zeit ist nicht
wichtig - Raum ist wichtig!
Bobbys Drehstühle
aus Island wurden extra eingeflogen.
|
Tag 1 - Mittwoch,
27.12.
In Bremen waren Doppelrunden
um 10 und 16 Uhr angesagt, lediglich am letzten Tag gab es nur die
Vormittagspartie. Zum Auftakt hatte Sebastian wenig Mühe gegen 1800.
Er gewann einen wichtigen Bauern, wonach der Gegner noch das ein oder andere
Opfer versuchte, jedoch vergeblich. Gegen 1900 (DWZ, in den Partien unten
steht allerdings immer die ELO) in der zweiten Partie mit Weiß geriet
die gegnerische Dame etwas auf Abwege. Sebastian konnte diese jagen und
es gab ein schnelles und interessantes Ende:
Sebastian
- Hugh Ditmas
Ein schönes Mattfinale!
Ich verlor vormittags
gegen Bremens FM Oliver Müller mit Schwarz - normales Ergebnis!? Ja,
aber der weiße Aufbau war etwas zahnlos und eigentlich kenne ich
mich damit aus. Mir fehlte jedoch ein wenig die Praxis, vielleicht hätte
ich in der Mitte des Turniers mehr Widerstand geleistet. Immerhin datiert
mein letztes Turnier von Ostern 2017. Mehr zum Bremer Spieler übrigens
weiter unten in der Partie gegen Sebastian. Am Nachmittag gelang mir gegen
einen Gegner, gegen den ich klar favorisiert war, ein recht schneller Sieg.
Ich möchte auch
kurz auf die Partien unserer Mitfahrer eingehen und ein paar Partiefragmente
vorstellen. Die Analysen sind natürlich nicht vollständig, es
wird auf ein paar Schwerpunkte und Wendungen eingegangen. Marc hatte zunächst
Probleme mit dem jungen Erik Pahl, wo er sich aus einer Verluststellung
noch in ein Remis retten konnte, spielte aber dann am Nachmittag die Partie,
die den Schönheitspreis gewann. Hier das Finale dieser Begegnung mit
Dirk Stieglitz von der Bremer SG:
Dirk
Stieglitz - Marc
Das Damenopfer musste
gut berechnet sein.
Maik ging mit einer
Zahl von knapp 1700 in sein erst drittes Turnier - es war seine erste Zahl,
und wir hofften, er würde klar zulegen. Gegen Benecke, knapp 2000
DWZ schwer, hatte er mit Schwarz eine kritische Stellung, als Weiß
seinen Mehrbauern einstellte und danach den Faden verlor. Maiks Läuferpaar
dominierte und sein Springer wurde zur Krake. Ein toller Auftaktpunkt.
Gegen unseren alten/jungen Freund Duc Ngo von Wildeshausen mit knapp 2100
Punkten aber wählte Maik ein falsches Konzept in der Eröffnung
und verlor schnell einen Bauern, was er nicht mehr aufholen konnte.
Lennart, der ohne Zahl
in sein erstes Turnier ging (im Alter von 18 eher ungewöhnlich, aber
bei Maik, der gut zwei Jahre älter ist, sieht es ja ähnlich aus),
hatte zunächst spielfrei und traf dann mit Schwarz auf den knappen
2100er Pollmann. Der Bremer sicherte sich einen Mehrbauern, aber Lennart
leistete erbitterten Widerstand. Am Ende schien ein Remis möglich,
dazu kam es dann auch, aber es geschahen noch einige Wunder:
Sascha
Pollmann - Lennart
Hölle von einer
Partie!
Tag 2 - Donnerstag,
28.12.
Für Sebastian
begann der Tag mit dem prinzipiellen Duell gegen unseren jungen Mannschaftskameraden
Jari Reuker. Bast konnte Jari bereits zweimal besiegen, wodurch dieser
in Bremen 2016 und bei der LEM 2017 jeweils noch auf der Zielgeraden den
Turniersieg verpasste. Aber mit Schwarz ging Sebastian diesmal nicht als
Favorit in die Partie, da sein Gegner auch bereits fast 100 Punkte mehr
auf dem Konto hatte. Bast geriet in der für ihn noch recht neuen und
trickreichen Sveshnikov-Variante des Sizilianers in eine gedrückte
Stellung und konnte seine Stärken nicht ausspielen. Für den in
Bremen stark aufspielenden Jari sollte es am Ende sogar für den Turniersieg
mit 6,0/7 reichen!
Mit Weiß in Runde
4 konnte unser Kämpfer aber recht schnell zu einem vollen Punkt kommen.
Nach Öffnung im Zentrum gegen Schachfreund Bokelmann (1900) erreichte
er dort starkes Spiel über die offene e-Linie. Am Ende hatte Schwarz
zwar noch kein Material weniger, aber war an Händen und Füßen
gefesselt und musste stillhalten, während seine Bauern abgeräumt
zu werden drohten. 3,0/4 ließen für den Oldenburger noch Hoffnung
auf mehr.
Ich bekam zunächst
wieder einen Gegner, gegen den ich nominell klar in der Favoritenposition
war, was ich auch recht schnell erfolgreich umsetzen konnte, bevor ich
mit Weiß auf den jungen Kilian Böhning (knapp 2100) traf. Leider
kam meine vorbereitete Variante nicht auf’s Brett, denn er wich der heimischen
Analysierküche aus, und es entstand ein trockenes Damenbauernspiel.
Hier konnte ich nach etwas holpriger Eröffnung im Zentrum durchstoßen
und dem Gegner dort einen isolierten Bauern verpassen. Leider reichte es
am Ende zu nicht mehr als einem Remis, hier ein interessanter Ausschnitt
aus dieser Partie:
Frank
- Kilian Böhning
Etwas zu sehr eingeseift
mit c4, wenigstens aber nicht rasiert worden.
Marc hatte leider nicht
den besten Tag erwischt, er verlor erst eine lange Partie nach hartem Widerstand
gegen den gerade erwähnten Kilian Böhning und stand dann nachmittags
gegen Jung (1900) sehr stark mit einer Qualität gegen einen Bauern,
musste aber nach einer taktischen Finesse einen weiteren Bauern abgeben,
wonach nicht mehr als Remis zu erzielen war.
Maik hatte eine zähe
und klebrige Stellung gegen den oben erwähnten „Jake“ Bokelmann und
verlor irgendwann einen Bauern. Das Springerendspiel bedarf nochmal einer
gründlichen Analyse, vielleicht wäre etwas zu retten gewesen.
In der zweiten Partie konnte Maik aber sein Punktekonto auf 50% stellen
nach einem Sieg gegen einen nominell klar unterlegenen Gegner.
Lennart hatte gegen
David Wachinger (1950) mit Weiß eine akzeptable Stellung und Zeitvorteil,
verlor jedoch einen Bauern. Als er ihn zurückgewann, hatte er aber
seine Königsstellung zu sehr geschwächt. Und dann gab es nochmal
Weiß für ihn gegen Delmenhorsts Thorsten Meyer (1900). Hier
hatte Schwarz irgendwann durch Doppelbauern auf beiden Flügeln strukturelle
Schwächen, aber es war schwierig, etwas daraus zu machen, selbst das
Endspiel war immer in der Remisbreite. Trotzdem ein Erfolg für Lennart
gegen diesen erfahrenen Gegner.
|
Sebastian beim
Blitz
|
Tag 3 - Freitag,
29.12.
Sebastian startete
mit Schwarz gegen meinen Auftaktgegner FM Müller. Aber es muss wohl
bald korrekt IM lauten. Müller wurde Vizeweltmeister bei den Spielern
mit Behinderungen (hier: Sehbehinderung), und wie verlautet soll ihm auf
Grund dieses Erfolges der Titel eines IM verliehen werden. Sebastian besiegte
diesen Gegner noch beim Hans
Wild-Turnier in Bremen im Herbst. Da allerdings mit den
weißen Steinen.
Bast hatte diesmal
zeitweise etwas Vorteil, aber Weiß kämpfte sich zurück
und erreichte eine gewinnverdächtige Stellung. Er konnte einen Bauern
einheimsen, aber machte dies unter Abtausch der Damen, wonach der König
von Sebastian aktiv eingreifen und ihm wieder eine ausgeglichene Stellung
sichern konnte. Ein gleichfarbiges Läuferendspiel, indem Sebastian
aber dann fatalerweise auf mehr auswollte:
Oliver
Müller - Sebastian
Eine bittere Pille.
Den Tag komplett machte
für ihn die Partie gegen Duc mit Weiß. Duc opferte einen Bauern,
was aber wohl zu riskant war, und Sebastian erreichte eine Gewinnstellung.
Leider schaltete er wohl zu früh ab, jedenfalls gewährte er Duc
Gegenchancen, die dieser beherzt wahrnahm. Eine bittere Niederlage bzw.
Tag, aber so kann es laufen.
Ich hatte vormittags
gegen Maiks Auftaktgegner Torsten Benecke (2000) zunächst eine harte
Verteidigung mit Schwarz zu führen, kam dann aber in ein sehr interessantes
Endspiel mit Vorteilen für mich - dachte ich, und richtete mich bequem
ein. Den Ausgang Remis:Sieg schätzte ich auf 50:50 ein. Pustekuchen!
Der Rechner findet gar nichts für mich und sieht einmal sogar Weiß
im Vorteil. Hier das Ende dieser Partie:
Torsten
Benecke - Frank
Ein Endspiel mit Hindernissen!
Es war aber der Tag
der Oldenburger Duelle. Mein Nachmittagsgegner war Marc. Wir werfen aber
zunächst einen Blick auf Marcs Vormittagspartie - gegen Maik! Eine
dramatische Schlacht mit manchen Wendungen, beide hatten hier Momente,
in denen sie auf Gewinn standen, letztlich setzte sich aber der FIDE-Meister
noch einmal durch.
Marc
- Maik
Und wieder - Hölle
von einer Partie!
Schmerzhafte Niederlage
für Maik, aber er ließ sich dadurch nicht unterkriegen betreffend
seiner weiteren Partien. Gegen Marc gab es dann für mich am Nachmittag
eine harte Kampfpartie, in der die Rechner eher mich mit Weiß etwas
bevorzugen. Am Ende gab Marc einen Bauern und ging nochmal in die Offensive,
aber ich stellte das Remis sicher. Kein harter Höllenritt, aber sehr
kompliziert, ich will hier allerdings keine weitere Partie von mir bringen.
Maik traf am Nachmittag
auf Sebastians Gegner aus Runde 2, Ditmas (1900). Hier erreichte Maik eine
etwas vorteilhafte Stellung mit Dame plus Läuferpaar gegen Dame, Läufer
und Springer. Schwarz tauschte dann die Damen, was also zum Endspiel mit
dem Läuferpaar führte - so etwas ist in der Praxis immer schwer
zu spielen. Klar kann Schwarz Remis halten, aber… Auch hier trug die Läuferseite,
also Maik, letztendlich den Sieg davon.
Dramatische Partien
auch bei Lennart. Zunächst gegen Sebastians Auftakt-1800er mit Schwarz
eine Verluststellung zum Ausgleich gedreht, dann zuviel gewollt und den
halben Punkt nicht erreicht. Er ließ jedoch gegen 1700 den ersten
Turnierpartiesieg seines Lebens folgen. Der Gegner drang mit der Dame optisch
gefährlich am Königsflügel ein, aber auch die Rechner finden
nichts Konkretes. Nach einem fehlerhaften Figurenopfer seines Gegenübers
schlug Lennart schnell zurück und fuhr den Punkt ein.
|
Maik startete
durch, genau wie David
|
Tag 4 - Samstag,
30.12.
Es gab manche Ausfälle
in der letzten Runde. So sagte Sebastians Gegner ab, womit Bast bei 4 Punkten
landete, was für ihn natürlich abseits dessen lag, was er sich
vorgenommen hatte und was er auch zu leisten im Stande ist. Allerdings
war er auch angeschlagen in das Turnier gegangen, wobei er aber dennoch
seine Chancen gegen z.B. Oliver Müller und Duc hatte. Aber wenn eben
die letzten 5% fehlen, reicht es nicht mehr ganz. Und das war letztlich
wohl die Ursache in Bremen.
Bei mir ging eine verfrühte
Silvester-Bombe hoch, leider in der Eröffnung. Gegen Matthias Reuker
(2100) improvisierte ich zuviel und übersah eine Taktik - dadurch
habe ich mir das Turnier ein bisschen verhunzt, am Ende nur eine mittlere
1900er Performance. Vorab allerdings hätte ich, ehrlich gesagt, mit
weniger gerechnet… aber die Form war ok zur Mitte des Turniers. Nur blödes
Ende irgendwie.
Marc dürfte auch
nicht zufrieden gewesen sein, in seinem letzten Spiel gegen knapp 1800
hatte er gute Gewinnchancen im Mittelspiel und auch im Endspiel zeitweise
die besseren Karten, musste aber am Ende froh sein, nach einem taktischen
Versehen Remis mitnehmen zu können. Immerhin konnte er wie gesagt
den Preis für die schönste Partie einstecken, auch wenn das ein
schwacher Ausgleich für ihn sein wird.
Maik konnte ein Endspiel
gegen 1800 in die Gewinnzone kneten, oder auch nicht, oder auch wieder
doch… Sein Gegner schwächte sich in dem einfachen Turmendspiel entscheidend
am Damenflügel durch einen Bauernaufzug. Doch es war letztlich komplizierter,
als gedacht. Hier Maiks letztes Abenteuer und unser letztes Partiefragment:
Bernhard
Künitz - Maik
Tempokampf mit Überraschungen.
Maik am Ende mit einer
hohen 1900er Performance und dem Sprung auf über 1800 DWZ. Ein Tigersprung
nach vorne. Das muss nun aber natürlich bestätigt werden, bevor
der nächste Satz gemacht werden kann. Seine Partien sollte er einer
strengen Analyse unterziehen. Er bekam übrigens den "Durchstarterpreis"
- der Spieler mit dem höchsten DWZ-Zuwachs.
Nicht antreten konnte
in der Schlussrunde Lennart, der aber durch seine gespielten Partien die
1800er Performancegrenze riss und damit ebenfalls mit einer DWZ im 1800er
Bereich zu Buche steht. Er wirkte am Brett, als hätte er nie etwas
anderes gemacht. Fokus auf die Partie, selten aufgestanden und kämpferische
Einstellung. Darauf kann man aufbauen.
Fazit
Recht erfolgreiche
Turniere also für unsere beiden jüngeren Mitfahrer, ein „Normales“
für mich unter eher schlechte für unsere beiden Spieler aus der
1. Mannschaft. Sebastian wie gesagt fehlten wirklich nur jene 5%. Man kennt
es. Manchmal kämpft man hart, aber am Ende… Aber was soll man sich
vorwerfen!? Die Fähigkeiten sind alle da zumindest.
Konnte der Veranstalter
seinen hohen Ansprüchen hinsichtlich der Spielbedingungen gerecht
werden? Ja, und das vollauf. Massenhaft Platz am Spieltisch, ein großer,
heller Spielsaal, günstige Getränke, schneller Service auf der
Homepage und alle Partien als Datei zum Herunterladen in Windeseile verfügbar.
Liveübertragung der ersten sechs Bretter, welche in einem separaten
Raum ausgetragen wurden, hier saßen die Spieler sogar auf Drehstühlen,
wie sie sich Bobby Fischer auch in Reykjavik nicht anders gewünscht
hätte. Ein Turnier von einem Schachspieler für Schachspieler,
wie Ausrichter David selbst meinte.
Nur einen gravierenden
Nachteil hatte das Ganze leider, verschmitzt formuliert von Marc: „Man
hat keine Ausreden mehr!“
Zuletzt noch der Link
zur Turnierseite:
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
09.01.2018
|
Siegerehrung (v.l.n.r.)
Durchstarter Maik
Schäfer, Daniel Schulz, Turniersieger Jari Reuker (SK Union!), Peter
Schwenteck, Spartak Grigorian, Veranstalter David Kardoeus, Nikolas Wachinger,
Tobias Kügel, Marc Schütte, Oliver Müller und Schiedsrichter
Dirk Rütemann
|
****
|