- Silvester Open Bremen 2017 -
27.12. - 30.12.

 
Neues Silvesterturnier in Bremen
Union-Invasion an der Weser
 
Zwischen den Jahren unterwegs

Ausgerichtet und initiiert von Schachfreund David Kardoeus und unterstützt vom SV Werder ging erstmalig das Silvester Open in Bremen über die Bühne. Eigentlich war ein Auftritt von uns in Erfurt analog zu 2016 angesagt, aber letztlich war dort das Hotel belegt und wir entschieden uns für das Bremer Turnier. Laut Internetauftritt des neuen Veranstalters, imperialchess.org, lautet die Philosophie dort, möglichst gute Spielbedingungen anzubieten (O-Ton: Königliche Qualität rund um das königliche Spiel). Ob das gelungen ist, werden wir im Fazit sehen.

7 Runden Schweizer System mit der Bedenkzeit Fischer Kurz wurden gespielt. Los ging es am 27.12., einen Tag später als in Erfurt, man konnte sich also ganz den Weihnachtstagen daheim hingeben. Wir pendelten täglich von Oldenburg mit dem Auto, welches fünf Mitfahrer vom SK Union hatte. Neben Sebastian und mir fuhr Marc Schütte aus der  1. Mannschaft mit sowie unsere Nachwuchsspieler Maik Schäfer und Lennart Höhn, Letztgenannter gab sein Turnierdebüt.
 

Zeit ist nicht wichtig - Raum ist wichtig!
Bobbys Drehstühle aus Island wurden extra eingeflogen.

Tag 1 - Mittwoch, 27.12.

In Bremen waren Doppelrunden um 10 und 16 Uhr angesagt, lediglich am letzten Tag gab es nur die Vormittagspartie. Zum Auftakt hatte Sebastian wenig Mühe gegen 1800. Er gewann einen wichtigen Bauern, wonach der Gegner noch das ein oder andere Opfer versuchte, jedoch vergeblich. Gegen 1900 (DWZ, in den Partien unten steht allerdings immer die ELO) in der zweiten Partie mit Weiß geriet die gegnerische Dame etwas auf Abwege. Sebastian konnte diese jagen und es gab ein schnelles und interessantes Ende:

Sebastian - Hugh Ditmas

Ein schönes Mattfinale!

Ich verlor vormittags gegen Bremens FM Oliver Müller mit Schwarz - normales Ergebnis!? Ja, aber der weiße Aufbau war etwas zahnlos und eigentlich kenne ich mich damit aus. Mir fehlte jedoch ein wenig die Praxis, vielleicht hätte ich in der Mitte des Turniers mehr Widerstand geleistet. Immerhin datiert mein letztes Turnier von Ostern 2017. Mehr zum Bremer Spieler übrigens weiter unten in der Partie gegen Sebastian. Am Nachmittag gelang mir gegen einen Gegner, gegen den ich klar favorisiert war, ein recht schneller Sieg.

Ich möchte auch kurz auf die Partien unserer Mitfahrer eingehen und ein paar Partiefragmente vorstellen. Die Analysen sind natürlich nicht vollständig, es wird auf ein paar Schwerpunkte und Wendungen eingegangen. Marc hatte zunächst Probleme mit dem jungen Erik Pahl, wo er sich aus einer Verluststellung noch in ein Remis retten konnte, spielte aber dann am Nachmittag die Partie, die den Schönheitspreis gewann. Hier das Finale dieser Begegnung mit Dirk Stieglitz von der Bremer SG:

Dirk Stieglitz - Marc

Das Damenopfer musste gut berechnet sein.

Maik ging mit einer Zahl von knapp 1700 in sein erst drittes Turnier - es war seine erste Zahl, und wir hofften, er würde klar zulegen. Gegen Benecke, knapp 2000 DWZ schwer, hatte er mit Schwarz eine kritische Stellung, als Weiß seinen Mehrbauern einstellte und danach den Faden verlor. Maiks Läuferpaar dominierte und sein Springer wurde zur Krake. Ein toller Auftaktpunkt. Gegen unseren alten/jungen Freund Duc Ngo von Wildeshausen mit knapp 2100 Punkten aber wählte Maik ein falsches Konzept in der Eröffnung und verlor schnell einen Bauern, was er nicht mehr aufholen konnte.

Lennart, der ohne Zahl in sein erstes Turnier ging (im Alter von 18 eher ungewöhnlich, aber bei Maik, der gut zwei Jahre älter ist, sieht es ja ähnlich aus), hatte zunächst spielfrei und traf dann mit Schwarz auf den knappen 2100er Pollmann. Der Bremer sicherte sich einen Mehrbauern, aber Lennart leistete erbitterten Widerstand. Am Ende schien ein Remis möglich, dazu kam es dann auch, aber es geschahen noch einige Wunder:

Sascha Pollmann - Lennart

Hölle von einer Partie!

Tag 2 - Donnerstag, 28.12.

Für Sebastian begann der Tag mit dem prinzipiellen Duell gegen unseren jungen Mannschaftskameraden Jari Reuker. Bast konnte Jari bereits zweimal besiegen, wodurch dieser in Bremen 2016 und bei der LEM 2017 jeweils noch auf der Zielgeraden den Turniersieg verpasste. Aber mit Schwarz ging Sebastian diesmal nicht als Favorit in die Partie, da sein Gegner auch bereits fast 100 Punkte mehr auf dem Konto hatte. Bast geriet in der für ihn noch recht neuen und trickreichen Sveshnikov-Variante des Sizilianers in eine gedrückte Stellung und konnte seine Stärken nicht ausspielen. Für den in Bremen stark aufspielenden Jari sollte es am Ende sogar für den Turniersieg mit 6,0/7 reichen!

Mit Weiß in Runde 4 konnte unser Kämpfer aber recht schnell zu einem vollen Punkt kommen. Nach Öffnung im Zentrum gegen Schachfreund Bokelmann (1900) erreichte er dort starkes Spiel über die offene e-Linie. Am Ende hatte Schwarz zwar noch kein Material weniger, aber war an Händen und Füßen gefesselt und musste stillhalten, während seine Bauern abgeräumt zu werden drohten. 3,0/4 ließen für den Oldenburger noch Hoffnung auf mehr.

Ich bekam zunächst wieder einen Gegner, gegen den ich nominell klar in der Favoritenposition war, was ich auch recht schnell erfolgreich umsetzen konnte, bevor ich mit Weiß auf den jungen Kilian Böhning (knapp 2100) traf. Leider kam meine vorbereitete Variante nicht auf’s Brett, denn er wich der heimischen Analysierküche aus, und es entstand ein trockenes Damenbauernspiel. Hier konnte ich nach etwas holpriger Eröffnung im Zentrum durchstoßen und dem Gegner dort einen isolierten Bauern verpassen. Leider reichte es am Ende zu nicht mehr als einem Remis, hier ein interessanter Ausschnitt aus dieser Partie:

Frank - Kilian Böhning

Etwas zu sehr eingeseift mit c4, wenigstens aber nicht rasiert worden.

Marc hatte leider nicht den besten Tag erwischt, er verlor erst eine lange Partie nach hartem Widerstand gegen den gerade erwähnten Kilian Böhning und stand dann nachmittags gegen Jung (1900) sehr stark mit einer Qualität gegen einen Bauern, musste aber nach einer taktischen Finesse einen weiteren Bauern abgeben, wonach nicht mehr als Remis zu erzielen war.

Maik hatte eine zähe und klebrige Stellung gegen den oben erwähnten „Jake“ Bokelmann und verlor irgendwann einen Bauern. Das Springerendspiel bedarf nochmal einer gründlichen Analyse, vielleicht wäre etwas zu retten gewesen. In der zweiten Partie konnte Maik aber sein Punktekonto auf 50% stellen nach einem Sieg gegen einen nominell klar unterlegenen Gegner.

Lennart hatte gegen David Wachinger (1950) mit Weiß eine akzeptable Stellung und Zeitvorteil, verlor jedoch einen Bauern. Als er ihn zurückgewann, hatte er aber seine Königsstellung zu sehr geschwächt. Und dann gab es nochmal Weiß für ihn gegen Delmenhorsts Thorsten Meyer (1900). Hier hatte Schwarz irgendwann durch Doppelbauern auf beiden Flügeln strukturelle Schwächen, aber es war schwierig, etwas daraus zu machen, selbst das Endspiel war immer in der Remisbreite. Trotzdem ein Erfolg für Lennart gegen diesen erfahrenen Gegner.
 

Sebastian beim Blitz

Tag 3 - Freitag, 29.12.

Sebastian startete mit Schwarz gegen meinen Auftaktgegner FM Müller. Aber es muss wohl bald korrekt IM lauten. Müller wurde Vizeweltmeister bei den Spielern mit Behinderungen (hier: Sehbehinderung), und wie verlautet soll ihm auf Grund dieses Erfolges der Titel eines IM verliehen werden. Sebastian besiegte diesen Gegner noch beim Hans Wild-Turnier in Bremen im Herbst. Da allerdings mit den weißen Steinen.

Bast hatte diesmal zeitweise etwas Vorteil, aber Weiß kämpfte sich zurück und erreichte eine gewinnverdächtige Stellung. Er konnte einen Bauern einheimsen, aber machte dies unter Abtausch der Damen, wonach der König von Sebastian aktiv eingreifen und ihm wieder eine ausgeglichene Stellung sichern konnte. Ein gleichfarbiges Läuferendspiel, indem Sebastian aber dann fatalerweise auf mehr auswollte:

Oliver Müller - Sebastian

Eine bittere Pille.

Den Tag komplett machte für ihn die Partie gegen Duc mit Weiß. Duc opferte einen Bauern, was aber wohl zu riskant war, und Sebastian erreichte eine Gewinnstellung. Leider schaltete er wohl zu früh ab, jedenfalls gewährte er Duc Gegenchancen, die dieser beherzt wahrnahm. Eine bittere Niederlage bzw. Tag, aber so kann es laufen.

Ich hatte vormittags gegen Maiks Auftaktgegner Torsten Benecke (2000) zunächst eine harte Verteidigung mit Schwarz zu führen, kam dann aber in ein sehr interessantes Endspiel mit Vorteilen für mich - dachte ich, und richtete mich bequem ein. Den Ausgang Remis:Sieg schätzte ich auf 50:50 ein. Pustekuchen! Der Rechner findet gar nichts für mich und sieht einmal sogar Weiß im Vorteil. Hier das Ende dieser Partie:

Torsten Benecke - Frank

Ein Endspiel mit Hindernissen!

Es war aber der Tag der Oldenburger Duelle. Mein Nachmittagsgegner war Marc. Wir werfen aber zunächst einen Blick auf Marcs Vormittagspartie - gegen Maik! Eine dramatische Schlacht mit manchen Wendungen, beide hatten hier Momente, in denen sie auf Gewinn standen, letztlich setzte sich aber der FIDE-Meister noch einmal durch.

Marc - Maik

Und wieder - Hölle von einer Partie!

Schmerzhafte Niederlage für Maik, aber er ließ sich dadurch nicht unterkriegen betreffend seiner weiteren Partien. Gegen Marc gab es dann für mich am Nachmittag eine harte Kampfpartie, in der die Rechner eher mich mit Weiß etwas bevorzugen. Am Ende gab Marc einen Bauern und ging nochmal in die Offensive, aber ich stellte das Remis sicher. Kein harter Höllenritt, aber sehr kompliziert, ich will hier allerdings keine weitere Partie von mir bringen.

Maik traf am Nachmittag auf Sebastians Gegner aus Runde 2, Ditmas (1900). Hier erreichte Maik eine etwas vorteilhafte Stellung mit Dame plus Läuferpaar gegen Dame, Läufer und Springer. Schwarz tauschte dann die Damen, was also zum Endspiel mit dem Läuferpaar führte - so etwas ist in der Praxis immer schwer zu spielen. Klar kann Schwarz Remis halten, aber… Auch hier trug die Läuferseite, also Maik, letztendlich den Sieg davon.

Dramatische Partien auch bei Lennart. Zunächst gegen Sebastians Auftakt-1800er mit Schwarz eine Verluststellung zum Ausgleich gedreht, dann zuviel gewollt und den halben Punkt nicht erreicht. Er ließ jedoch gegen 1700 den ersten Turnierpartiesieg seines Lebens folgen. Der Gegner drang mit der Dame optisch gefährlich am Königsflügel ein, aber auch die Rechner finden nichts Konkretes. Nach einem fehlerhaften Figurenopfer seines Gegenübers schlug Lennart schnell zurück und fuhr den Punkt ein.
 

Maik startete durch, genau wie David

Tag 4 - Samstag, 30.12.

Es gab manche Ausfälle in der letzten Runde. So sagte Sebastians Gegner ab, womit Bast bei 4 Punkten landete, was für ihn natürlich abseits dessen lag, was er sich vorgenommen hatte und was er auch zu leisten im Stande ist. Allerdings war er auch angeschlagen in das Turnier gegangen, wobei er aber dennoch seine Chancen gegen z.B. Oliver Müller und Duc hatte. Aber wenn eben die letzten 5% fehlen, reicht es nicht mehr ganz. Und das war letztlich wohl die Ursache in Bremen.

Bei mir ging eine verfrühte Silvester-Bombe hoch, leider in der Eröffnung. Gegen Matthias Reuker (2100) improvisierte ich zuviel und übersah eine Taktik - dadurch habe ich mir das Turnier ein bisschen verhunzt, am Ende nur eine mittlere 1900er Performance. Vorab allerdings hätte ich, ehrlich gesagt, mit weniger gerechnet… aber die Form war ok zur Mitte des Turniers. Nur blödes Ende irgendwie.

Marc dürfte auch nicht zufrieden gewesen sein, in seinem letzten Spiel gegen knapp 1800 hatte er gute Gewinnchancen im Mittelspiel und auch im Endspiel zeitweise die besseren Karten, musste aber am Ende froh sein, nach einem taktischen Versehen Remis mitnehmen zu können. Immerhin konnte er wie gesagt den Preis für die schönste Partie einstecken, auch wenn das ein schwacher Ausgleich für ihn sein wird.

Maik konnte ein Endspiel gegen 1800 in die Gewinnzone kneten, oder auch nicht, oder auch wieder doch… Sein Gegner schwächte sich in dem einfachen Turmendspiel entscheidend am Damenflügel durch einen Bauernaufzug. Doch es war letztlich komplizierter, als gedacht. Hier Maiks letztes Abenteuer und unser letztes Partiefragment:

Bernhard Künitz - Maik

Tempokampf mit Überraschungen.

Maik am Ende mit einer hohen 1900er Performance und dem Sprung auf über 1800 DWZ. Ein Tigersprung nach vorne. Das muss nun aber natürlich bestätigt werden, bevor der nächste Satz gemacht werden kann. Seine Partien sollte er einer strengen Analyse unterziehen. Er bekam übrigens den "Durchstarterpreis" - der Spieler mit dem höchsten DWZ-Zuwachs.

Nicht antreten konnte in der Schlussrunde Lennart, der aber durch seine gespielten Partien die 1800er Performancegrenze riss und damit ebenfalls mit einer DWZ im 1800er Bereich zu Buche steht. Er wirkte am Brett, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Fokus auf die Partie, selten aufgestanden und kämpferische Einstellung. Darauf kann man aufbauen.

Fazit

Recht erfolgreiche Turniere also für unsere beiden jüngeren Mitfahrer, ein „Normales“ für mich unter eher schlechte für unsere beiden Spieler aus der 1. Mannschaft. Sebastian wie gesagt fehlten wirklich nur jene 5%. Man kennt es. Manchmal kämpft man hart, aber am Ende… Aber was soll man sich vorwerfen!? Die Fähigkeiten sind alle da zumindest.

Konnte der Veranstalter seinen hohen Ansprüchen hinsichtlich der Spielbedingungen gerecht werden? Ja, und das vollauf. Massenhaft Platz am Spieltisch, ein großer, heller Spielsaal, günstige Getränke, schneller Service auf der Homepage und alle Partien als Datei zum Herunterladen in Windeseile verfügbar. Liveübertragung der ersten sechs Bretter, welche in einem separaten Raum ausgetragen wurden, hier saßen die Spieler sogar auf Drehstühlen, wie sie sich Bobby Fischer auch in Reykjavik nicht anders gewünscht hätte. Ein Turnier von einem Schachspieler für Schachspieler, wie Ausrichter David selbst meinte.

 Nur einen gravierenden Nachteil hatte das Ganze leider, verschmitzt formuliert von Marc: „Man hat keine Ausreden mehr!“

Zuletzt noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 09.01.2018
 

Siegerehrung (v.l.n.r.)
Durchstarter Maik Schäfer, Daniel Schulz, Turniersieger Jari Reuker (SK Union!), Peter Schwenteck, Spartak Grigorian, Veranstalter David Kardoeus, Nikolas Wachinger, Tobias Kügel, Marc Schütte, Oliver Müller und Schiedsrichter Dirk Rütemann

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