- Holthusen beim Nord-West-Cup, 02.02.-05.02.2006 -
Ein Schlawiner schickt Großmeister an den Katzentisch
 

Es war mal wieder Anfang Februar. Für die Schachspieler heißt das: Kaffee, Schokolade, Obst und Red Bull einpacken und auf zum Nord-West-Cup nach Bad Zwischenahn. Wie schon im Vorjahr waren wir mit Martin Klinkenborg, Andreas Slopinski und mir vertreten, diesmal gesellte sich als vierter Holthuser noch Edwin Lehmann mit dazu. Insgesamt nahmen 201 Spieler an dem Wettbewerb teil, der sich erstmals in ein A- und in ein B-Turnier aufteilte. Als Rheiderländer Schachelite meldeten wir natürlich für das A-Turnier, dabei war unser Ergebnis allerdings am Ende - bis auf das von Andreas - wohl eher B-scheiden.

Am ersten Tag starteten wir pünktlich um 16 Uhr die Clock. Als Teilnehmer der zweiten Hälfte bekamen wir alle starke Gegner. Im letzten Jahr haben wir aber aus den drei Erstrundenpartien zwei Punkte geholt. Sollte uns wieder ein ähnlicher Auftakt gelingen? Die Antwort: Nur zum Teil. Andreas und Edwin holten Remisen (stark, vor allem Andreas!), aber Martin und ich verloren. Martin hatte allerdings auch einen FM als Gegner, und der andere F.M. stellte ein wohl haltbares Endspiel weg.

Tag zwei begann mit einer vierfachen Nullrunde. Wir hatten Gegner um die 2000 Rating und mehr. Geärgert haben dürfte sich Martin, der früh in der Eröffnung danebengriff und danach viel Zeit bis zur Nachmittagsrunde hatte. Erwähnenswert vielleicht noch, daß ich mal wieder ein Endspiel weggestellt habe. In der Nachmittags- bzw. Abendrunde stand das Quartett dann natürlich deutlich unter Zugzwang und mußte punkten. Martin und Edwin hatten schwächere Gegner. Martin quälte sich aber in die fünfte Stunde, saß dann seinen älteren Widersacher aber einfach platt. Edwin lieferte sich eine dramatische Zeitnotschlacht gegen eine junge Gegnerin, die mit einem Remis endete. Andreas und ich hatten klar stärkere Gegner, ich erreichte ein Remis, Andreas gar zeigte eine wahre Zertrümmerung und holte den Punkt. Also immerhin drei aus vier.

Was uns zu schaffen machte, waren vor allem die jungen Teilnehmer. Hier läßt man sich allzuoft von der Zahl blenden. In Wirklichkeit sind diese Spieler bereits viel stärker, oft muß man sogar um's Remis kämpfen, und für die eigene Rating sind solche Gegner das Undankbarste überhaupt. A pro pos Überraschungen: Gewonnen wurde das Turnier übrigens von einem Außenseiter, Marlon Schlawin aus Bochum (2300, Originalzitat des Preisüberreichers: "...der Schlawiner"). Die osteuropäischstämmigen Favoriten, ob sie nun Gutman, Fish, Karpatchev, Ivanov oder Golod aus Israel hießen, fast alles GMs, wurden auf die Plätze verwiesen. Sowieso mußten die Meister hin und wieder ein überraschendes Remis oder sogar einen Verlust hinnehmen und fanden sich plötzlich in der nächsten Runde an einem Katzentisch wieder.

Der dritte Tag begann fast wieder mit einer Nullrunde, nur Edwin erreichte ein beachtliches Remis. Martin hatte bei seiner Niederlage gegen einen als schwächer einzustufenden Gegner in besserer Stellung Remis abgelehnt, aber das Endspiel verpatzt. Am Bittersten war aber wohl meine Niederlage. Ich verlor nach fünf Stunden ein Vier-Damen-Endspiel, wobei ich sogar zuerst umwandeln konnte, aber mit zwei Damen auf dem leeren Brett kein Schachgebot hatte... Und wieder ein Endspiel weggestellt. Nachmittags waren wir gefrustet. Ich spielte offen und zerlegte einen papiermäßig etwas schlechteren Gegner in einer Stunde. Auch Martin gewann, allerdings hatte er auf Verlust gestanden. Einem späteren Dauerschach wollte sein Gegner ausweichen und lief sogar in ein Mattnetz. Andreas spielte wieder stark und erreichte ein Remis in einem Endspiel mit Minusbauer und ungleichen Läufern. Nur Edwin mußte sich diesmal geschlagen geben.

Der letzte Tag: Vier Remisen bei Holthusen! Dabei mußten Martin und Andreas leider gegeneinander spielen. Sie haben ihre Partie nicht ausgekämpft. Edwin fuhr sein mittlerweile schon viertes Remis ein, während ich lange Zeit gegen einen sehr jungen Gegner nicht viel hatte und für's Remis sogar genau spielen mußte. Der Abend verlief höchst unterschiedlich. Gerechtes Remis bei mir, Edwin zersägte Martins Punkt aus der fünften Runde und gewann seine erste Partie. Andreas erhielt endlich mal einen papiermäßig schwächeren Gegner. Er erreichte ein vielleicht noch geradeso remises Endspiel, welches er aber wegstellte. Und dennoch: Es blieb ihm in seiner Ratinggruppe noch ein saftiger Geldpreis. Martin kämpfte fast fünf Stunden und gewann gegen einen starken, jungen Gegner sogar eine Qualle. Sein Gegner wollte aber kein Remis und am Ende entschieden für ihn die starken Freibauern und Martins Igel wurde doch noch zertreten.

Überhaupt: Hier wird nicht so leicht Remis gegeben. Oftmals werden auch die unmöglichsten Stellungen einfach ausgezockt, zur Not auf die Zeit des Gegners. In Bad Zwischenahn gibt es ja auch eine bekannte Spielbank, bei einigen Partien wäre es sicher angebracht gewesen, diese gleich dort auszutragen! Uns wurde dann einfach z.T. die mangelnde Erfahrung mit diesen Turnieren bzw. mangelnde Spielpraxis allgemein zum Verhängnis. Aber es gibt schon ziemlich abgebrühte und kaltblütige Zocker. So hat z.B. der spätere Turniersieger einen IM abgezogen, wobei er selber nur noch 26 Sekunden auf der Uhr hatte. Der IM hatte noch viereinhalb Minuten, und das ganze bei vollem Brett. Und wie gewinnt man sowas? Mit einem überraschenden Matt? Nein, indem man einem Dauerschach ausweicht, in ein Endspiel abtauscht, seine Bauern durchbringt und dabei mattsetzt - mit immer noch üppigen 5 Restsekunden auf der Uhr...

Fazit:
Unsere Ergebnisse waren durchwachsen, alle holten 2,5 Punkte aus den sieben Runden, nur Edwin brachte es auf 3 Zähler. Martin besiegte zwei schwächer eingestufte Gegner, verlor aber alle drei Partien, in denen die Gegner auf dem Papier stärker waren. Edwin hatte in den ersten sechs Runden vier stärkere Gegner, seine Ausbeute waren hier immerhin zwei Remis. Doch auch gegen zwei als schwächer anzusehende Spieler kam er jeweils über Remis nicht hinaus. Ich verlor insgesamt drei Partien, alles gegen stärkere Gegner, wobei ich alle Partien in ausgeglichenen Stellungen im Endspiel versaut habe. Zu verbuchen hatte ich drei z.T. sehr interessante Remisen gegen zahlenmäßig unterschiedliche Gegner sowie einen Sieg gegen einen etwas schwächeren Gegner.

Wirklich zufrieden mit seinem Spiel konnte wohl nur Andreas sein. Er bekam in den ersten sechs Runden nur stärkere, z.T. klar stärkere Gegner. Dabei gelangen ihm drei Remis, einen konnte er sogar umhauen. In der Schlußrunde verfehlte er leider die möglichen 3,5 Punkte und 50%. Aber dennoch blieb ihm ja der verdiente Ratingpreis.

Hier noch ein paar Bilder von dem Turnier... 
 

Andreas zu Beginn seiner Gewinnpartie. Unser Schlawiner konnte doch tatsächlich sein Startgeld (und noch etwas mehr) wieder herausholen... Ante mortem: Unsere beiden Spitzencracks Martin und Edwin bei der Vorbereitung auf ihre Partien der ersten Runde. Genützt hat es nur Edwin...
 
Der Turniersaal. Rechts am Fenster waren die Topbretter, in der Mitte finden sich dann die Katzentische wieder. Und ganz links außen irgendwo saßen die Holthuser... Vier-Damen-Endspiel ohne Schachgebot. Schwarz zieht und... verliert. Natürlich hätte vorher statt der Umwandlung Dh6+ gewonnen. Ja, die Zeitnot.