- Niedersächsische Landesmeisterschaften, Verden, 2016 -
03.01. - 06.01.
 

Sebastian Müer auf der Jagd nach dem Titel
Schnellschach- und Langzeitmeisterschaft an der Aller
 
Traditioneller Jahresauftakt in Verden

In Verden fanden vom 3.-6. Januar die Landeseinzelmeisterschaften von Niedersachsen statt. Das ist mittlerweile eine "Neujahrs"tradition, und gehört zum Jahresauftakt dazu wie Silvesterknaller und Neujahrsröllchen. Dieses Turnier, ausgetragen im Hotel Niedersachsenhof in Verden, ist mit 260 Teilnehmern mittlerweile an seine Kapazitätsgrenze gestoßen. Es wurde in einem Meisterturnier und in 3 Open gekämpft. Wir wohnten diesmal, anders als in den letzten Jahren, wieder direkt im Spielhotel, anstatt zu pendeln. Da während der Meisterschaft der Winter einbrach, erwies sich das als gute Entscheidung.

Sebastian, der als amtierender Vizelandesmeister dafür vorqualifiziert war, startete im Meisterturnier mit 19 weiteren Teilnehmern, wo der neue Meister von Niedersachsen ermittelt wurde. Ich ging im A-Open an den Start mit über 80 Mitbewerbern dort. Jeweils wurden 7 Runden gespielt mit der Bedenkzeitregelung Fischer Kurz.

Schnellschachmeisterschaft

Am 2. Januar reisten wir an und spielten an dem Tag, quasi um warm zu werden, die Niedersächsische Schnellschachmeisterschaft, hier ging es über 7 Runden mit einer Bedenkzeit von 10 Minuten + 5 Sekunden. Sebastian spielte hier sehr erfolgreich und erzielte 5,5 Punkte, was den 4. Platz bedeutete. Hierbei gelangen ihm Remisen gegen IM Abel, dem Turniersieger, und FM Armbrust. Die Hoffnung auf einen Platz bei der Deutschen Schnellschachmeisterschaft als Nachrücker bleibt.

Ich stand nach 6 Runden bei 4 Punkten, was ok aussieht, aber der Gegnerschnitt war schlecht. Nach einem Blackout in der ersten Runde musste man aber noch zufrieden sein. In der Schlussrunde durfte ich auf einen 5. Punkt und eine gute Placierung hoffen, aber ging gegen meinen nominell schlechteren Gegner völlig ein. Damit ein schlechter Auftakt, im Gegensatz zu Sebastian, und dies sollte sich bei uns beiden in der eigentlichen Meisterschaft dann auch so fortsetzen.

Ein paar Fotos aus Verden (zur Vergrößerung bitte anklicken)
 

Blick aus dem Niedersachsenhof.
Nachdem noch auf den Weihnachtsmärkten die Softeisbuden Konjunktur hatten, stellte sich der Winter dann doch ein.
Diesmal wurde der Saal im Hof
auf der kompletten Breite genutzt.

Landesmeisterschaft, Runden 1-3

Sebastian startete gegen Böhm (1987 DWZ) mit einem soliden Sieg. Weiß schien zwar etwas Druck gegen Sebastians Königsstellung zu haben, aber das erwies sich alles als Sturm im Wasserglas. Die Abwicklung in ein Endspiel mit zwei Mehrbauern brachte den ersten Punkt. Es folgte eine Weißpartie gegen Prenzler (2239). Hier ließ keine Seite großartige Schwächen zu und das Endspiel mit ungleichen Läufern endete erwartungsgemäß mit einem Remis.

Diesem verhaltenen, aber sehr soliden Auftakt folgte dann eine recht dramatische Partie gegen Kleinschroth (2126). Der Gegner spielte recht aktiv am Königsflügel mit einem Vorstoß der dort befindlichen Bauern, nachdem er, im Gegensatz zu Sebastian, lang rochiert hatte. Sebastian musste zwei kritische Momente überstehen, in denen der Gegner jeweils den Gewinn ausließ (einmal eine relativ simple Springergabel, siehe Diagramm) bis er den Gegner in dessen Zeitnot vor Probleme stellen konnte. Am Ende kassierte Sebastian reichlich Material ab und konnte den Punkt einfahren. Durchaus etwas glücklich, aber eine kämpferische Partie. 2,5/3 waren eine gute erste Hälfte bzw. ein guter Auftakt und ließen alle Chancen auf den erhofften Titel.
 

Müer - Kleinschroth
Stellung nach dem
31. Zug von Schwarz

32. Sb3? hätte auf die Verliererstraße führen sollen nach 32. ... dxe4, was d5 für den Springer räumt, auch fxe4 verhindert das nicht wegen des Abzuges des Le5. Es folgte 33. Sc5, nun hätte Sd5 für einen nachträglichen Silvesterkater bei Sebastian gesorgt, aber nach exf3? gewann nunmehr er selber.

Für mich verlief es weniger gut, aber noch nicht dramatisch. Gegen den ersten Gegner, 2158, wählte ich eine neue Eröffnung, wobei ich in der dann von ihm gespielten Variante den richtigen Zug verpasste, was mich in eine etwas passive Lage brachte. Ohne viel eigenes Spiel konnte ich die Partie zwar lange hinschleppen, aber geriet nach und nach auf die Verliererstraße und musste die Null kassieren.

Gegen 1813 mit Weiß musste ich in der Eröffnung auch improvisieren, aber immerhin bekam ich das Läuferpaar und er hatte einen Isolani. Jedoch war er recht aktiv, sodaß man von ungefährem Ausgleich sprechen konnte. Als er auf Angriff am Königsflügel ging, hatte er bereits eine Remisschaukel, aber spielte etwas anderes und in meinem Gegenangriff verpasste ich selber zunächst einen Gewinn, der aber nicht leicht zu sehen war und dann die Abwicklung in ein gleiches Endspiel und erlaubte ihm ein Dauerschach. Wie folgt:
 

Modder - Brunner
Stellung nach dem
23. Zug von Weiß

Ich habe eine Figur mehr, aber Schwarz kann Remis machen mit der Schaukel Sh3 und Sf2. Jedoch wollte er gewinnen und machte 23. ... exf3? 24. Lc4+ S6-d5, aber ich fand nun den Gewinnzug g3 nicht. Stattdessen 25. Lxd5+ Sxd5, und nun konnte ich mit Dg3 in ein Endspiel abwickeln nach Damentausch auf g3 und Bauerntausch auf g2, wonach die Stellung spielbar ist. Das sah ich, wählte aber 25. Dxd5+ in der Erwartung Kh8 Lxg7 mit Vorteil, aber es war ein völliger Blackout, denn ich übersah einfach Tf7... Danach blieb mir nur das Dauerschach. Der Kopf funktionierte also nicht richtig. Vielleicht kann man g3 mal übersehen, aber Tf7 sollte man drinhaben.

Dieses Remis war unbefriedigend, genauso wie das Folgende in Runde 3 gegen 1847. Die Eröffnung behandelte mein Gegner schlecht und ich hätte bereits deutlichen Vorteil erzielen können. Nachdem ich dies verpasst hatte, war die Stellung ausgeglichen und ich holte mit Schwarz nichts mehr heraus. Immerhin hatte mein Gegner an diesem Tage Geburtstag, da schien ein kleines Geschenk doch angebracht!? 1,0/3 und ein nicht so großartiger Schnitt, aber ein Drama war es noch nicht. Das kam noch erst.

Runden 4-5

In Runde 4 wartete auf Sebastian FM Armbrust (2260) mit Schwarz. Dieser spielte etwas recht Untheoretisches und gab auch vorübergehend einen Bauern, den Sebastian später zurückgab. Aber hier spielte er ungenau und musste einen zweiten Bauern ins Geschäft stecken. Weiß verfügte am Ende sogar über zwei Mehrbauern, als sich eine unerwartete Rettungschance für Sebastian auftat:
 

Armbrust - Müer
Stellung nach dem
27. Zug von Schwarz

Weiß steht hier sicherlich auf Gewinn. Beide waren aber etwas in Zeitnot und 28, Dc3? mit der verständlichen Idee eines Damentausches bot Sebastian plötzlich eine Remischance. Da er aber einen Damentausch gedanklich ausschloss, fand er nicht den richtigen Weg: 28. … Le3+ 29. Kh1 und jetzt wäre richtig gewesen 29. … Dxc3! 30. Sxc3 Td2! nebst einem wahrscheinlichen Remis.

Das war bitter, und es wartete danach auch noch IM Plischki (2344) in Runde 5. Damen und Springer waren schnell vom Brett und es ging in eine Lavierstellung über. Hier konnte Schwarz nach und nach Vorteile verbuchen. Aber beide griffen nicht immer zum Genauesten und einmal verpasste Sebastian auch eine Remisabwicklung. Dann erreichte der Internationale Meister eine Gewinnstellung, aber die Partie nahm ein dramatisches Ende:
 

Müer - Plischki
Stellung nach dem
41. Zug von Weiß

Die Zeitnot ist vorbei. Schwarz gewinnt durch den Vormarsch des d-Bauern. 41. … Ta-g2? hätte nun aber zum Remis führen sollen mit 42. Tf2! Schwarz muss dann dort nehmen und nach Umwandlung ins Dauerschach einwilligen. Sebastian spielte aber 41. Txa6, wonach Th3 Schwarz noch Gewinnchancen eingeräumt hätte. Nach 41. … Kb7 konnte Sebastian aber doch noch auf die zweite Reihe gehen mit 42. Ta2, wonach man sich auf Remis einigte, die Partie würde dann enden analog der oben skizzierten Idee. Mit 3,0/5 war Sebastian nun nicht mehr erster Anwärter auf den Titel, aber endgültig abgefahren war dieser Zug auch noch nicht. Zumal sich kein Spieler oben absetzen konnte.

Bei mir lief es extrem schlecht. In Runde 4 (gegen 1799) spielte ich eine scharfe Variante, die ich aber ungenügend vorbereitete. An einem Punkt kam ich dann auf das Opfer von zwei Figuren, um den Gegner mattzusetzen, statt einen soliden Zug zu spielen. Meine Variante hatte aber ein Loch, ich sah ein Fluchtfeld nicht, dass dem König zur Verfügung stand. Ähnlich sollte es übrigens Sebastian in der nächste Runde gehen, doch dazu gleich. Dieser Blackout zeigte erneut, dass etwas nicht stimmte. Nach einer weiteren Niederlage in Runde 5 strich ich die Segel und spielte die beiden Schlussrunden nicht mehr. Manchmal streikt der Denkapparat einfach.
 

Union in Union.
Rechts Marc Schütte und daneben sein
Mannschaftskamerad Sebastian in der Schlußrunde.
Ehre wem Ehre gebührt: Die Plätze 1-5.
v.l.: Prenzler, Tonndorf, Plischki, Armbrust, Müer.

Runden 6-7

Sebastian musste die beiden letzten Partien gewinnen, um noch Chancen auf den Turniersieg zu haben. Mit Schwarz gegen Vöge (2203) peitschte Sebastian auch streng los und spielte im Grunde genommen eine Glanzpartie: Ambitionierte Eröffnung, sehr viel Druck und klare Pläne. Sein Druckspiel am Königsflügel war an einem Punkt etwas umständlich, aber er erreichte folgende Gewinnstellung, Diagramm 1:
 

Vöge - Müer
Stellung nach dem
33. Zug von Weiß
Vöge - Müer
Stellung nach dem
36. Zug von Weiß

In Diagramm 1 spielte Sebastian 33. … d5! 34. cxd5 c4 35. De2 Lg3+ 36. Kd2 und Diagramm 2 wurde erreicht. Hier nun sah Sebastian, dass b3! gewinnen muss, aber plötzlich sah er einen Damengewinn, der vorher schon mal auf der Agenda stand: Die Idee war 36. … c3+ 37. bxc3 Tf2 38. Sxf2 Dxc3#. Allerdings, Dxc3 ist kein Matt, der König hat mittlerweile das Feld d1 zur Verfügung, was Sebastian nach c3+ dann auch sah… Hier konnte er froh sein, dass er noch in ein Remis kommen konnte, aber es war natürlich sehr ärgerlich. Jedoch, wenn man an die Plischki-Partie denkt, kann man sagen, ausgleichende Ungerechtigkeit.

In der letzten Runde gegen Polster (1988) gelang Sebastian dann noch ein recht ungefährdeter Sieg mit Weiß. Der Gegner wählte eine Eröffnung, in der er einen Springer für drei Bauern gab, aber setzte nicht genau genug fort und Sebastian erhielt schnell gutes Spiel und brachte es problemlos nach Hause. Somit hatte er am Ende 4,5/7, was den 5. Platz bedeutete. Allerdings war er damit nur ½ Punkt hinter dem 1. Platz geblieben. Die drei Erstplacierten waren punkt- und buchholzgleich – der Titel ging also über die Summenwertung weg, was bei den Zweit- und Drittplacierten natürlich für Begeisterungsstürme sorgte. Glückwunsch aber an den neuen Meister Daniel Prenzler!

Fazit

Sebastian hat etwa 25 DWZ-Punkte gewonnen und für ihn war das letztlich ein guter Auftakt in das Schachjahr, auch wenn es mit dem gewünschten Titel nicht geklappt hat. Mit einer Performance von annährend 2300 ist er auf dem richtigen Weg. Allerdings hat er auch noch das ein oder andere aufzuarbeiten (Partien gegen Kleinschroth und Plischki, dagegen ist der Fehler in der Vöge-Partie einfach ein Versehen gewesen). Bei mir folgte auf mein bisher bestes (Sottrum 2015) mein schlechtestes Turnier. Das gilt es nun zu verdauen und die Verluste wieder hereinzuholen. Dazu gibt es schon bald Gelegenheit beim Nordwest-Cup in Bad Zwischenahn.

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Hier noch der Link zum Turnier:

Ergebnisse beim NSV

- frank modder, 09.01.2016
 

Die Jugend in Verden erwies sich einmal mehr als harter Gegner. Aber Vorsicht! Noch während der Siegerehrung rüstete die ältere Generation nach. 2017 kann also kommen!