Jahresauftakt
in Verden
Den Start in das Schachjahr
machte vom 2.1.-5.1. traditionell das wichtigste Turnier des Niedersächsischen
Schachverbandes, die Landesmeisterschaft in Verden. Im Meisterturnier stritten
sich 20 Spieler um den entsprechenden Titel, während in zwei Open-Turnieren
nochmal über 200 Teilnehmer mitspielten.
Nach 3. und 4. Plätzen
in den letzten Jahren sollte es für Sebastian Müer diesmal mit
dem Sieg im Meisterturnier klappen, während ich mir im A-Open
eine solide Turnierleistung von 1900 – 2000 vornahm. Sebastian wollte für
mich einen Platz unter den Top 10, was sicherlich sehr ambitioniert war.
Mit dabei auch Keno Lübsen, welcher sicherlich keine geringeren Ziele
hatte. Gespielt wurden in allen Turnieren 7 Runden nach beschleunigtem
Schweizer System, Bedenkzeit 90min/40 Züge + 30min +30sek Zuschlag
ab Zug 1 pro Spieler und Partie.
Erster Turniertag
(Runden 1+2)
Sebastian startete
in das Meisterturnier mit 2 Punkten. Gegen Hagemann (ELO 1987) tat er sich
aber enorm schwer, ein gleichstehendes Leichtfigurenendspiel zu kneten.
Und wie es so kommt - er übertrieb, und geriet in eine klare Verluststellung.
Der Gegner aber hatte etwas Zeitnot und die Stellung war plötzlich
doch wieder Remis. Kurz vor Toreschluß dann noch ein Fehler und Bast
konnte mit einem netten Abzugsschach eine Umwandlung einleiten. Ein etwas
glücklicher Punkt. Hier das Ende dieser spannenden Partie:
Müer
vs. Hagemann
Gegner am Nachmittag
war Vöge (2093). Sebastian spielte eine etwas anrüchige Variante,
die allerdings sehr kompliziert ist und die er gut kennt. Hier bekommt
er einen Turm und zwei Bauern für zwei Leichtfiguren. Der Gegner spielte
dann auch nicht am Genauesten und nach Damentausch stand Sebastian besser,
nach Abtausch eines Turmpaares erledigte sein verbliebener Turm den Rest.
2,0/2 nach dem ersten Tag für ihn. Dieser Stil sollte sich übrigens
durch sein gesamtes Turnier ziehen: Er spielte extrem ambitioniert und
ging (kalkulierte) Risiken ein.
Ich selber musste durch
das beschleunigte Lossystem gleich mit Weiß gegen FM Sawadkuhi (2146),
die Nr. 6 der Setzliste, antreten. In dieser Partie erreichte ich freies
Figurenspiel für einen Isolani. In vielleicht noch etwas besserer
Stellung konnte ich dann durch Zerschlagen der gegnerischen Königsfeste
ein Dauerschach erzielen. Hier das Ende der Begegnung:
Modder
vs. Sawadkuhi
Mit Schwarz ging es
dann gegen Ernst (2070). Mein Gegner griff in der Eröffnung daneben
und sein Gambit war schon eher aus der Not geboren. Allerdings erhielt
er etwas Spiel für den Bauern. Mir gelang es nicht, einen gewissen
Druck abzuschütteln, war aber rechnerisch immer im Vorteil. Am Ende
Remis durch eine Zugwiederholung, aber ich hätte hier weiterspielen
sollen. 1,0/2 waren angesichts der Gegner sicherlich ein guter Auftakt,
aber man versumpft mit 50% natürlich erstmal im Mittelfeld der Tabelle.
Keno startete auch
gut ins Turnier: Sieg gegen 1881 und ein Schwarzremis gegen einen der Topgesetzten
(2151). Hier stand Keno allerdings am Ende deutlich besser und hätte
spielen sollen. 1,5/2 aber auch hier ein gelungener Auftakt.
Ein paar Fotos aus
Verden (zur Vergrößerung bitte anklicken)
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Sebastian hier
links in seiner Partie gegen Kai Renner.
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Keno (3.v.l.)
in Aktion.
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Zweiter Turniertag
(Runden 3+4)
Sebastian traf mit
Weiß auf Tonndorf (2261). Hier konnte Bast nichts Entscheidendes
herausholen, lehnte aber auch ein Remisangebot im Mittelspiel ab. Das Endspiel
war dann für Schwarz besser, die Lage erwies sich jedoch als recht
unklar und es endete in einer Zugwiederholung.
Es folgte das rechnerisch
schwierigste Los: IM Plischki (2399) mit Schwarz, ein in der Vergangenheit
unangenehmer Gegner für Sebastian. Erneut ließ er die Würfel
rollen: Ausgangs der Eröffnung entschied Sebastian sich, anstatt in
einer passiven Stellung zu leiden, für ein theoretisch zwar bekanntes,
aber auch als schlecht eingestuftes Figurenopfer (gegen einen Bauern).
Weiß kannte es wohl, blieb aber nur kurzfristig genau. Bast bekam
Material zurück und hatte irgendwann drei Bauern für seinen Läufer.
Erneut wurden die Züge wiederholt. 3,0/4 waren letztlich ein guter
Zwischenstand, die Möglichkeiten auf den Turniersieg waren weiterhin
voll intakt.
Mir gelang am 2. Tag
zunächst ein Sieg gegen Stummeyer (1901). Allerdings eine unbefriedigende
Leistung: Ich hatte bereits eine klare Gewinnstellung mit Einschlagmöglichkeiten
in die gegnerische Königsstellung herausgespielt, aber machte es etwas
zu kompliziert und übersah auch einen Zwischenzug, wonach ich nur
in ein in etwa ausgeglichenes Endspiel einlenken konnte. Hier stellte mein
Gegner aber unerwartet sofort eine Figur ein. Hier die Taktik, die vorher
für mich gewonnen hätte:
Modder
vs. Stummeyer
Runde 4 am Nachmittag
brachte den an Platz 4 gesetzten Eschholz (2197) aus Wildeshausen. Mit
Schwarz rechtfertigte ich leider den eigentlich verhaltenen weißen
Aufbau und mein Gegner erhielt die gewünschte Druckstellung. Ich verteidigte
eine zeitlang, konnte aber nur ein Leichtfigurenendspiel mit einem Minusbauern
erzielen. Das war nicht zu halten. 2,0/4 waren weiterhin vom Gegnerschnitt
her, sprich von der Performance, okay. Die Hoffnung, von dieser soliden
Basis aus zum Ende des Turniers nochmal durchstarten zu können, war
durchaus gegeben.
Ähnlich war es
bei Keno. Zunächst ein Sieg gegen 1775. Natürlich wollte Keno
dann mit einem Weißsieg gegen 2065 ganz weit nach vorne kommen, aber
für seinen geopferten Bauern erhielt der Gegner sehr viel Spiel und
Keno konnte diese Partie nicht halten. Performance war auch hier noch in
Ordnung und mit 2,5/4 war Keno auch noch einen halben Zähler besser
dran als ich.
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Links Titelverteidiger
Simon Tennert.
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Blick in den Turniersaal
in Verden.
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Dritter Turniertag
(Runden 5+6)
Sebastian hatte in
Runde 5 Weiß gegen Renner (2228). Die Vorbereitung kam aufs Brett,
der Gegner entschied sich aber für eine Nebenvariante mit einem spekulativen,
als „?“ bewerteten Bauernraub. Bast konnte dies nicht optimal ausnutzen,
was mit energischem Spiel am Damenflügel möglich war, und es
gab die dritte Zugwiederholung in Folge in diesem Turnier für ihn,
hier mittels Dauergardez.
Nach zwei Auftaktsiegen
schienen die drei Remis ein etwas gebremstes Tempo anzudeuten, jedoch war
der Titel weiterhin klar im Visier, es war dazu aber ein Schlußspurt
notwendig. Und dazu setzte Sebastian an mit einer weiteren Weißpartie
gegen Prenzler (2225). Dieser war anscheinend von der Eröffnung etwas
überrascht und spielte ein eher kritisch zu betrachtendes System.
Sebastian ließ ein frühes Läuferopfer auf h6 vom Stapel,
was wohl objektiv nur Remis ist, wonach sein Gegner einen Blackout hatte
und ein einzügiges Matt zuließ. Sebastian folgte dann aber einer
Mattführung in drei Zügen, da er ebenfalls das sofortige Matt
nicht sah. Hier das Opfer und eine kurze Analyse:
Müer
vs. Prenzler
Mit 4,5 Punkten lag
Sebastian gleichauf mit Tonndorf an der Spitze, dank der besseren Zweitwertung
war Sebastian sogar Tabellenführer und hatte somit vor der letzten
Runde den Turniersieg selber in der Hand.
Positiv war der 3.
Tag auch für mich. Mein Vormittagsgegner Roßberg (1715) hatte
ebenfalls einen Blackout und stellte bereits im 7. Zug die Dame weg. Am
Nachmittag ging es erneut gegen einen jungen Gegner, Neumann aus Aurich
(1664). Hier schoss ich selber einen Bock (zwar der einzige Einsteller
im Turnier, aber es ist halt wieder passiert) und stellte einen Zentralbauern
weg. Mir gelang es dann aber, nachdem der Gegner ungenau spielte, starkes
Druckspiel am Königsflügel zu entfalten, was mir unter dem Strich
den Gewinn einer Qualität bescherte. Das Endspiel dauerte dann auch
nicht allzu lang. Fairerweise muss man sagen, dass mein Gegner nach dem
Einsteller eine Remisschaukel hatte. Aber er stand auf Gewinn und musste
spielen. Hier noch kurz die Phase des Umschwungs in dieser Partie:
Neumann
- Modder
Also zwei Punkte für
mich an diesem Tag und mit 4,0/6 lag ich bei einer 2000er Performance und
damit voll im Soll.
Keno kam an diesem
Tag nicht über zwei Remis gegen 1947 und 1825 hinaus, was für
ihn zu wenig war, zumal er zumindest in einer Partie gute Gewinnmöglichkeiten
hatte.
Vierter Turniertag
(7. Runde)
Für Sebastian
stand das Fernduell mit dem punktgleichen Tonndorf an. Dieser spielte gegen
Renner mit Weiß, während Sebastian Schwarz gegen Spartak Grigorian
(2310) hatte. Also eine hohe Hürde für Sebastian. Auf Grund der
Buchholzsituation würde ihm ein Remis reichen, wenn Tonndorf ebenfalls
nur Remis spielen würde. Andere Spieler schieden schnell aus dem Meisterrennen
aus, da die Nebenwertung vor der letzten Runde bereits für Sebastian
sprach, was sich durch die Partieverläufe in der Schlußrunde
dann auch schnell verfestigte. Bei einem Sieg von Sebastian wäre ja
eh alles klar.
Sebastian hatte Probleme
in der Eröffnung, erreichte danach aber nach und nach Spiel und riss
den lang rochierten weißen König ins Freie. Dieser zappelte
schließlich mehr oder weniger im Mattnetz, aber in starker Zeitnot
fand Sebastian den richtigen Zug nicht und Weiß entkam. Es gab danach
noch mehrere Wendungen, doch schließlich zeichnete sich hier das
Remis ab, was durch Dauerschach von Spartak forciert wurde. Hier die entscheidende
Phase dieser wahrhaft dramatischen Schlacht:
Grigorian
vs. Müer
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Sebastian und
Spartak nach ihrer Schlacht.
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Ich bei der Siegerehrung
links. Es gab einen Ratingpreis.
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Die Hoffnungen ruhten
auf den bis dahin ungeschlagenen Renner, welcher aber ein Endspiel Turm
und zwei Mehrbauern gegen Turm und Läufer halten musste, nachdem die
Eröffnungsphase noch gut für ihn gelaufen war. Tonndorf spielte
die Stellung aber konsequent zu Ende und erzielte schnell den Sieg im Endspiel.
Damit blieb für
Sebastian „nur“ der 2. Platz mit 5,0/7. Wenn man es nüchtern betrachtet,
ist dies natürlich dennoch ein großer Erfolg. Ungeschlagen,
dazu eine Turnierperformance von 2386 (2350 DWZ) und Anstieg der eigenen
ELO-Zahl in Richtung des Nahzieles 2300 und des dann damit verbundenen
FM-Titels. Jetzt gilt es, dies zu bestätigen.
Für mich endete
das Turnier mit einem Remis gegen Lange (1997). Im Mittelspiel hatte ich
leichten Vorteil, aber die Abgabe eines Bauern für Initiative war
wohl nicht ganz gerechtfertigt. Nach taktischen Tricks sah der Gegner sich
jedoch genötigt, den Bauern zurückzugeben, wonach ein völlig
ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett stand, was schnell Remis gegeben
wurde. 4,5/7 und Turnierleistung von 2070 (DWZ 2029) waren zufriedenstellend,
Platz 21 war ok, ein Sieg in der letzten Runde hätte noch Platz 10
bedeutet, aber dafür hätte es auch nichts weiter gegeben.
Keno hatte in der letzten
Runde einen Mehrbauern, der Gegner (1876) hatte aber sehr viel Figurenspiel,
was dann irgendwann den Ausschlag gab. Keno somit mit 3,5/7, seine DWZ-Leistung
blieb mit 1934 leider noch etwas unter seiner eigenen Zahl. Aber da geht
noch was, die ersten zwei Drittel des Turnieres wiesen eigentlich schon
in die richtige Richtung.
Sonstiges / Fazit
Die „Hauptveranstaltung“
des NSV war auch dieses Mal wieder ein solides Turnier. Sportlich ging
es für Sebastian und mich dann auch weiter nach vorne auf persönliche
Allzeithochs (Sebastian bei der ELO, ich bei der DWZ). Sebastian spielte,
wie angedeutet, sehr ambitioniert und wählte zweischneidige Kampfvarianten.
Seine Wahl erwies sich aber in den meisten Fällen als korrekt und
er konnte die Stellungen und seine Gegner recht gut lesen. Bei mir wog
in diesem Turnier sicherlich auch die Umstellung meiner Eröffnungen
schwer. Es sah soweit alles auf den ersten Blick dabei ganz gut aus, aber
der eigentliche Lackmustest steht noch aus, da die Gegner hier wirklich
nicht streng spielten.
Weiter geht es bereits
in knapp zwei Wochen beim NordWest-Cup in Bad Zwischeahn.
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Hier noch der Link
zum Turnier:
Ergebnisse
beim NSV
- frank modder,
10.01.2015
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Siegerehrung.
Sebastian ganz rechts und mit dem Pokal posiert hier der neue Landesmeister
Matthias Tonndorf.
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