- Niedersächsische Landesmeisterschaften, Verden, 2015 -
02.01. - 05.01.
 

Sebastian Müer Landesvizemeister
Gelungener Auftakt in das Schachjahr in Verden
 
Jahresauftakt in Verden

Den Start in das Schachjahr machte vom 2.1.-5.1. traditionell das wichtigste Turnier des Niedersächsischen Schachverbandes, die Landesmeisterschaft in Verden. Im Meisterturnier stritten sich 20 Spieler um den entsprechenden Titel, während in zwei Open-Turnieren nochmal über 200 Teilnehmer mitspielten.

Nach 3. und 4. Plätzen in den letzten Jahren sollte es für Sebastian Müer diesmal mit dem Sieg im Meisterturnier  klappen, während ich mir im A-Open eine solide Turnierleistung von 1900 – 2000 vornahm. Sebastian wollte für mich einen Platz unter den Top 10, was sicherlich sehr ambitioniert war. Mit dabei auch Keno Lübsen, welcher sicherlich keine geringeren Ziele hatte. Gespielt wurden in allen Turnieren 7 Runden nach beschleunigtem Schweizer System, Bedenkzeit 90min/40 Züge + 30min +30sek Zuschlag ab Zug 1 pro Spieler und Partie.

Erster Turniertag (Runden 1+2)

Sebastian startete in das Meisterturnier mit 2 Punkten. Gegen Hagemann (ELO 1987) tat er sich aber enorm schwer, ein gleichstehendes Leichtfigurenendspiel zu kneten. Und wie es so kommt - er übertrieb, und geriet in eine klare Verluststellung. Der Gegner aber hatte etwas Zeitnot und die Stellung war plötzlich doch wieder Remis. Kurz vor Toreschluß dann noch ein Fehler und Bast konnte mit einem netten Abzugsschach eine Umwandlung einleiten. Ein etwas glücklicher Punkt. Hier das Ende dieser spannenden Partie:

Müer vs. Hagemann

Gegner am Nachmittag war Vöge (2093). Sebastian spielte eine etwas anrüchige Variante, die allerdings sehr kompliziert ist und die er gut kennt. Hier bekommt er einen Turm und zwei Bauern für zwei Leichtfiguren. Der Gegner spielte dann auch nicht am Genauesten und nach Damentausch stand Sebastian besser, nach Abtausch eines Turmpaares erledigte sein verbliebener Turm den Rest. 2,0/2 nach dem ersten Tag für ihn. Dieser Stil sollte sich übrigens durch sein gesamtes Turnier ziehen: Er spielte extrem ambitioniert und ging (kalkulierte) Risiken ein.

Ich selber musste durch das beschleunigte Lossystem gleich mit Weiß gegen FM Sawadkuhi (2146), die Nr. 6 der Setzliste, antreten. In dieser Partie erreichte ich freies Figurenspiel für einen Isolani. In vielleicht noch etwas besserer Stellung konnte ich dann durch Zerschlagen der gegnerischen Königsfeste ein Dauerschach erzielen. Hier das Ende der Begegnung:

Modder vs. Sawadkuhi

Mit Schwarz ging es dann gegen Ernst (2070). Mein Gegner griff in der Eröffnung daneben und sein Gambit war schon eher aus der Not geboren. Allerdings erhielt er etwas Spiel für den Bauern. Mir gelang es nicht, einen gewissen Druck abzuschütteln, war aber rechnerisch immer im Vorteil. Am Ende Remis durch eine Zugwiederholung, aber ich hätte hier weiterspielen sollen. 1,0/2 waren angesichts der Gegner sicherlich ein guter Auftakt, aber man versumpft mit 50% natürlich erstmal im Mittelfeld der Tabelle.

Keno startete auch gut ins Turnier: Sieg gegen 1881 und ein Schwarzremis gegen einen der Topgesetzten (2151). Hier stand Keno allerdings am Ende deutlich besser und hätte spielen sollen. 1,5/2 aber auch hier ein gelungener Auftakt.

Ein paar Fotos aus Verden (zur Vergrößerung bitte anklicken)
 

Sebastian hier links in seiner Partie gegen Kai Renner.
Keno (3.v.l.) in Aktion.

Zweiter Turniertag (Runden 3+4)

Sebastian traf mit Weiß auf Tonndorf (2261). Hier konnte Bast nichts Entscheidendes herausholen, lehnte aber auch ein Remisangebot im Mittelspiel ab. Das Endspiel war dann für Schwarz besser, die Lage erwies sich jedoch als recht unklar und es endete in einer Zugwiederholung.

Es folgte das rechnerisch schwierigste Los: IM Plischki (2399) mit Schwarz, ein in der Vergangenheit unangenehmer Gegner für Sebastian. Erneut ließ er die Würfel rollen: Ausgangs der Eröffnung entschied Sebastian sich, anstatt in einer passiven Stellung zu leiden, für ein theoretisch zwar bekanntes, aber auch als schlecht eingestuftes Figurenopfer (gegen einen Bauern). Weiß kannte es wohl, blieb aber nur kurzfristig genau. Bast bekam Material zurück und hatte irgendwann drei Bauern für seinen Läufer. Erneut wurden die Züge wiederholt. 3,0/4 waren letztlich ein guter Zwischenstand, die Möglichkeiten auf den Turniersieg waren weiterhin voll intakt.

Mir gelang am 2. Tag zunächst ein Sieg gegen Stummeyer (1901). Allerdings eine unbefriedigende Leistung: Ich hatte bereits eine klare Gewinnstellung mit Einschlagmöglichkeiten in die gegnerische Königsstellung herausgespielt, aber machte es etwas zu kompliziert und übersah auch einen Zwischenzug, wonach ich nur in ein in etwa ausgeglichenes Endspiel einlenken konnte. Hier stellte mein Gegner aber unerwartet sofort eine Figur ein. Hier die Taktik, die vorher für mich gewonnen hätte:

Modder vs. Stummeyer

Runde 4 am Nachmittag brachte den an Platz 4 gesetzten Eschholz (2197) aus Wildeshausen. Mit Schwarz rechtfertigte ich leider den eigentlich verhaltenen weißen Aufbau und mein Gegner erhielt die gewünschte Druckstellung. Ich verteidigte eine zeitlang, konnte aber nur ein Leichtfigurenendspiel mit einem Minusbauern erzielen. Das war nicht zu halten. 2,0/4 waren weiterhin vom Gegnerschnitt her, sprich von der Performance, okay. Die Hoffnung, von dieser soliden Basis aus zum Ende des Turniers nochmal durchstarten zu können, war durchaus gegeben.

Ähnlich war es bei Keno. Zunächst ein Sieg gegen 1775. Natürlich wollte Keno dann mit einem Weißsieg gegen 2065 ganz weit nach vorne kommen, aber für seinen geopferten Bauern erhielt der Gegner sehr viel Spiel und Keno konnte diese Partie nicht halten. Performance war auch hier noch in Ordnung und mit 2,5/4 war Keno auch noch einen halben Zähler besser dran als ich.
 

Links Titelverteidiger Simon Tennert.
Blick in den Turniersaal in Verden.

Dritter Turniertag (Runden 5+6)

Sebastian hatte in Runde 5 Weiß gegen Renner (2228). Die Vorbereitung kam aufs Brett, der Gegner entschied sich aber für eine Nebenvariante mit einem spekulativen, als „?“ bewerteten Bauernraub. Bast konnte dies nicht optimal ausnutzen, was mit energischem Spiel am Damenflügel möglich war, und es gab die dritte Zugwiederholung in Folge in diesem Turnier für ihn, hier mittels Dauergardez.

Nach zwei Auftaktsiegen schienen die drei Remis ein etwas gebremstes Tempo anzudeuten, jedoch war der Titel weiterhin klar im Visier, es war dazu aber ein Schlußspurt notwendig. Und dazu setzte Sebastian an mit einer weiteren Weißpartie gegen Prenzler (2225). Dieser war anscheinend von der Eröffnung etwas überrascht und spielte ein eher kritisch zu betrachtendes System. Sebastian ließ ein frühes Läuferopfer auf h6 vom Stapel, was wohl objektiv nur Remis ist, wonach sein Gegner einen Blackout hatte und ein einzügiges Matt zuließ. Sebastian folgte dann aber einer Mattführung in drei Zügen, da er ebenfalls das sofortige Matt nicht sah. Hier das Opfer und eine kurze Analyse:

Müer vs. Prenzler

Mit 4,5 Punkten lag Sebastian gleichauf mit Tonndorf an der Spitze, dank der besseren Zweitwertung war Sebastian sogar Tabellenführer und hatte somit vor der letzten Runde den Turniersieg selber in der Hand.

Positiv war der 3. Tag auch für mich. Mein Vormittagsgegner Roßberg (1715) hatte ebenfalls einen Blackout und stellte bereits im 7. Zug die Dame weg. Am Nachmittag ging es erneut gegen einen jungen Gegner, Neumann aus Aurich (1664). Hier schoss ich selber einen Bock (zwar der einzige Einsteller im Turnier, aber es ist halt wieder passiert) und stellte einen Zentralbauern weg. Mir gelang es dann aber, nachdem der Gegner ungenau spielte, starkes Druckspiel am Königsflügel zu entfalten, was mir unter dem Strich den Gewinn einer Qualität bescherte. Das Endspiel dauerte dann auch nicht allzu lang. Fairerweise muss man sagen, dass mein Gegner nach dem Einsteller eine Remisschaukel hatte. Aber er stand auf Gewinn und musste spielen. Hier noch kurz die Phase des Umschwungs in dieser Partie:

Neumann - Modder

Also zwei Punkte für mich an diesem Tag und mit 4,0/6 lag ich bei einer 2000er Performance und damit voll im Soll.

Keno kam an diesem Tag nicht über zwei Remis gegen 1947 und 1825 hinaus, was für ihn zu wenig war, zumal er zumindest in einer Partie gute Gewinnmöglichkeiten hatte.

Vierter Turniertag (7. Runde)

Für Sebastian stand das Fernduell mit dem punktgleichen Tonndorf an. Dieser spielte gegen Renner mit Weiß, während Sebastian Schwarz gegen Spartak Grigorian (2310) hatte. Also eine hohe Hürde für Sebastian. Auf Grund der Buchholzsituation würde ihm ein Remis reichen, wenn Tonndorf ebenfalls nur Remis spielen würde. Andere Spieler schieden schnell aus dem Meisterrennen aus, da die Nebenwertung vor der letzten Runde bereits für Sebastian sprach, was sich durch die Partieverläufe in der Schlußrunde dann auch schnell verfestigte. Bei einem Sieg von Sebastian wäre ja eh alles klar.

Sebastian hatte Probleme in der Eröffnung, erreichte danach aber nach und nach Spiel und riss den lang rochierten weißen König ins Freie. Dieser zappelte schließlich mehr oder weniger im Mattnetz, aber in starker Zeitnot fand Sebastian den richtigen Zug nicht und Weiß entkam. Es gab danach noch mehrere Wendungen, doch schließlich zeichnete sich hier das Remis ab, was durch Dauerschach von Spartak forciert wurde. Hier die entscheidende Phase dieser wahrhaft dramatischen Schlacht:

Grigorian vs. Müer
 

Sebastian und Spartak nach ihrer Schlacht.
Ich bei der Siegerehrung links. Es gab einen Ratingpreis.

Die Hoffnungen ruhten auf den bis dahin ungeschlagenen Renner, welcher aber ein Endspiel Turm und zwei Mehrbauern gegen Turm und Läufer halten musste, nachdem die Eröffnungsphase noch gut für ihn gelaufen war. Tonndorf spielte die Stellung aber konsequent zu Ende und erzielte schnell den Sieg im Endspiel.

Damit blieb für Sebastian „nur“ der 2. Platz mit 5,0/7. Wenn man es nüchtern betrachtet, ist dies natürlich dennoch ein großer Erfolg. Ungeschlagen, dazu eine Turnierperformance von 2386 (2350 DWZ) und Anstieg der eigenen ELO-Zahl in Richtung des Nahzieles 2300 und des dann damit verbundenen FM-Titels. Jetzt gilt es, dies zu bestätigen.

Für mich endete das Turnier mit einem Remis gegen Lange (1997). Im Mittelspiel hatte ich leichten Vorteil, aber die Abgabe eines Bauern für Initiative war wohl nicht ganz gerechtfertigt. Nach taktischen Tricks sah der Gegner sich jedoch genötigt, den Bauern zurückzugeben, wonach ein völlig ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett stand, was schnell Remis gegeben wurde. 4,5/7 und Turnierleistung von 2070 (DWZ 2029) waren zufriedenstellend, Platz 21 war ok, ein Sieg in der letzten Runde hätte noch Platz 10 bedeutet, aber dafür hätte es auch nichts weiter gegeben.

Keno hatte in der letzten Runde einen Mehrbauern, der Gegner (1876) hatte aber sehr viel Figurenspiel, was dann irgendwann den Ausschlag gab. Keno somit mit 3,5/7, seine DWZ-Leistung blieb mit 1934 leider noch etwas unter seiner eigenen Zahl. Aber da geht noch was, die ersten zwei Drittel des Turnieres wiesen eigentlich schon in die richtige Richtung.

Sonstiges / Fazit

Die „Hauptveranstaltung“ des NSV war auch dieses Mal wieder ein solides Turnier. Sportlich ging es für Sebastian und mich dann auch weiter nach vorne auf persönliche Allzeithochs (Sebastian bei der ELO, ich bei der DWZ). Sebastian spielte, wie angedeutet, sehr ambitioniert und wählte zweischneidige Kampfvarianten. Seine Wahl erwies sich aber in den meisten Fällen als korrekt und er konnte die Stellungen und seine Gegner recht gut lesen. Bei mir wog in diesem Turnier sicherlich auch die Umstellung meiner Eröffnungen schwer. Es sah soweit alles auf den ersten Blick dabei ganz gut aus, aber der eigentliche Lackmustest steht noch aus, da die Gegner hier wirklich nicht streng spielten.

Weiter geht es bereits in knapp zwei Wochen beim NordWest-Cup in Bad Zwischeahn.

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Hier noch der Link zum Turnier:

Ergebnisse beim NSV

- frank modder, 10.01.2015
 

Siegerehrung. Sebastian ganz rechts und mit dem Pokal posiert hier der neue Landesmeister Matthias Tonndorf.