- Unive Schachturnier Hoogeveen 2014 -
11.10. - 18.10.
 

Erfolge für Müer/Modder bei international
stark besetztem Turnier in den Niederlanden
 
Staraufgebot in den Niederlanden

Bereits zum 18. Mal fand das Unive Schachturnier im niederländischen Hoogeveen statt. Das ist eine gemütliche Stadt mit etwa 55000 Einwohnern. Sebastian Müer und ich spielten hier zum ersten Mal - in unterschiedlichen Wettbewerben - mit. Spiellokal war das Rathaus von Hoogeveen, welches eine knappe Autostunde von Ostfriesland entfernt ist, weshalb man jeden Tag pendeln konnte. Möglich war dies allerdings auch nur, weil es keine Doppelrunden gab. Die Organisation mit Turnierdirektor Loek van Wely (!) war hervorragend. Gute Spielbedingungen, gratis Kaffee und Liveübertragung im Internet – was will man mehr.

Sebastian spielte im neunrundigen Open, welches mit so klangvollen Namen wie Beliavsky und Romanishin besetzt war. Zur Teilnahme hier benötigte man mind. 2000 Wertungspunkte. Ich spielte in einem der siebenrundigen sogenannten Amateurturniere, welche eine Wertzahlobergrenze von 2100 Punkten hatten. Diese Turniere unterschieden sich lediglich durch die Anstoßzeiten. Um mit Sebastian identische Runden zu haben, wählte ich das Nachmittagsturnier. Immer um 14 Uhr ging es los.

Im Rahmenprogramm fanden noch zwei Wettkämpfe über jeweils 6 Partien statt. Hollands Vorkämpfer, Jan Timman, spielte dabei gegen Baduur Jobava aus Georgien und der aktuelle niederländische Topspieler, die Nr. 7 der Welt, Anish Giri, trat gegen „Fire on board“ Alexei Shirov an. Hier setzte sich am Ende jeweils der jüngere Spieler mit 4,5:1,5 durch. Der Wahlspanier Shirov sah nach seinen Worten auf der Siegerehrung danach kein Feuer mehr, sondern es sei nur noch der Rauch, der aufsteigen würde.

Die Veranstaltung wurde für uns ein voller Erfolg, oder sagen wir mal, doch ein ziemlicher. Sebastian konnte endlich mal wieder gegen GM punkten und auch ein IM wurde gerupft mit einer Partie, die den Schönheitspreis gewann, und ich selber spielte bis zur vorletzten Runde um den Turniersieg mit. Doch der Reihe nach!

Fotos: Kann ich nicht mehr in der bisherigen Weise darstellen,
da sich das Bildbearbeitungsprogramm nicht mehr auf meinem
neuen Rechner starten lässt. Darum muss hier improvisiert werden.
Aber anklicken zur Vergrößerung sollte noch funktionieren.

 
Das Rathaus von Hoogeveen.
Hier wurde in verschiedenen Räumen gespielt.
Im Bürgersaal fand das Open statt.
Das Amateurturnier war im 1. Stock untergebracht.

Erste Turnierhälfte

Sebastian trat zum Auftakt des Open gegen den niederländischen GM Sipke Ernst (ELO 2555) an. Hier nahm Sebastian mit Weiß am Anfang munter Bauern mit, die der Gegner für Entwicklung und Initiative opferte. Zweimal konnte Schwarz in der Folge auf f2 reinschlagen, machte es dann aber zur Unzeit. Sebastian hatte danach klaren rechnerischen Vorteil. Aber die Lage war kompliziert und er nahm eine Zugwiederholung an. Ein toller Auftakt und erst das zweite Mal für ihn, dass er gegen einen Großmeister in einer Turnierpartie was holen konnte. Hier die Endphase dieser Partie:

Müer - Ernst

Der nächste Kracher folgte in Runde zwei mit dem ukrainischen GM Oleg Romanishin, der seine Glanzeit in den späten 70er bis zu den frühen 90er Jahren hatte und bei Mikhail Tal in die Schule gegangen war. Hier konnte Sebastian nichts holen, dies lag in erster Linie an der Eröffnung (oder doch an Tal?), in der Sebastian die Züge vertauschte und schnell mit dem Rücken zur Wand stand.

In Runde drei gegen einen Gegner mit 2100 Wertungspunkten ließ Sebastian die gegnerischen Angriffsbemühungen ins Leere laufen und in einem einfachen Turmendspiel war sein gedeckter Freibauer wertvoller und verhalf ihm zu einem Mehrbauern, was er auch verwertete. Eine gute Partie. Aber es folgte dann ein Rückschlag in der Runde vier. IM de la Torre (2440) patzte, aber Sebastian nahm lediglich einen Bauern mit, dabei war deutlich mehr drin. Der Gegner kämpfte sich wieder zurück und Sebastian ließ in der Folge Möglichkeiten zum Remis ungenutzt und verlor sogar noch diese Partie. Sehr bitter, auch wenn 1,5 aus 4 bei einem starken Gegnerschnitt ok waren. Hier die wichtige Phase dieser Partie:

Müer - de la Torre
 

Sebastian wirkte lediglich zerknirscht, aber war
es nicht. Das Bild stammt von der Turnierseite.
Auch mir ging es nicht schlecht.
Hier bei meiner Partie in der 3. Runde.

Ich startete hervorragend in das Amateur-Turnier. In der ersten Runde konnte ich einen schwächeren Gegner (1550) mit einer einfachen Grundlinientaktik aushebeln. Spannender wurde es schon in Runde zwei gegen 1740. Mit Schwarz hatte ich schnell Vorteil, den ich nach und nach ausbaute. Ich hatte schließlich zwei Mehrbauern und er musste auch die Dame gegen Turm und Läufer geben. Im Endspiel waren seine Figuren sehr aktiv, und kurzfristig schien dies seinen klaren Materialnachteil zu kompensieren. eine Möglichkeit, wenigstens noch ein Remis zu retten, nahm er allerdings nicht wahr. Hier als Ausschnitt die Grundlinientaktik aus Runde eins als Aufwärmübung:

Modder - van de Mheen

Runde drei brachte, erneut mit Schwarz, einen 2000er. Hier konnte ich eine Variante servieren, die ich recht gut kenne, mein Gegner sah sich genötigt, einen Bauern zu geben. Das konnte ich transportieren, ließ aber in Zeitnot eine Chance aus, und der Gegner kam wieder etwas heran. Mit einer Umwandlungskombination konnte ich ihn dann aber doch noch ausknocken und den Punkt holen. Hier die spannende Schlußphase der Partie:

Lootsma - Modder

Und ich durfte dann gegen 2055 sogar von 4 aus 4 träumen. Nachdem mein Gegner Eröffnungsprinzipien verletzt hatte, bekam ich einen starken Angriff. Statt die Qualität zu geben, womit ich rechnete, opferte er sogar seine Dame gegen zwei Läufer. Somit hatte ich Dame gegen das Läuferpaar bei noch jeweils zwei Türmen. Ich dachte, was will er noch. Aber seine Läufer standen stark und ich hatte Probleme, meine Puppen ins Spiel zu bringen. Später gab ich Material zurück, um einen Königsangriff abzuschütteln, eine Mehrqualität reichte danach im Endspiel nicht mehr zum Sieg wegen eines starken Freibauern des Gegners. 3,5 aus 4 waren aber auch noch sehr gut und ließen Möglichkeiten auf den Turniersieg offen.
 

Im Open starteten bekannte Namen. Rechts Alexander
Beliavsky gegen den Turniersieger Victor Mikhalevski.
Auch ein bekanntes Gesicht: Oleg Romanishin.
Er war Gegner von Sebastian in Runde zwei.

In der Mitte des Turniers

Da Sebastian im Open zwei Runden mehr spielte, hatte er zur Mitte des Turniers eine Doppelrunde zu absolvieren, während ich an diesem Tag spielfrei hatte. Bast konnte mit Schwarz seinen 2084er Gegner relativ schnell am Königsflügel überspielen. In schwieriger Stellung übersah Weiß dann noch eine kleine Taktik und verlor Material. Ein klarer Sieg, hier die entscheidendeTaktik in dieser Partie:

Hummel - Müer

Runde sechs war dann eher bitter. Sebastian kam wohl mit der Eröffnung nicht so zurecht, und bereits im frühen Mittelspiel verirrte sich seine Dame auf den Damenflügel, um dort nach einem Bauernraub gefangen zu werden. 2,5 aus 6. Bezüglich Gegnerschnitt immer noch deutlich ok, aber es war ja auch wieder irgendwie ein Ping-Pong-Spiel geworden. Noch war es aber nicht zu spät, aus dieser Dynamik auszubrechen, und genau dies gelang Sebastian dann auch im Finale des Turniers.

Schlußphase des Turniers

Sebastian gewann in Runde sieben einmal mehr souverän gegen einen Gegner mit knapp unter 2100. Er experimentierte in der Eröffnung und erhielt Königsangriff, als der Gegner früh viel Material wegstellte. In diesem Turnier hatte Bast also keine Mühe mit unter 2100. Und es hat sich gezeigt, dass auch auf diesem Spielstärkeniveau viele Partien einfach irgendwann durch grobe Patzer entschieden werden. Dazu gleich noch mehr. Hier die Taktik aus der Partie:

Müer - Henseler

In der vorletzten Runde folgte das Glanzstück Sebastians in diesem Turnier. Eine mehrstündige Vorbereitung in der Nacht zuvor führte dazu, dass der Gegner, IM de Jong, mit einer Reihe starker Züge bombardiert wurde. Sebastian spielte auch extrem aggressiv und konnte schließlich seinen Angriff krönen. Er bezeichnete diese als eine seiner besten Partien überhaupt. Das sah die Turnierleitung ebenso, und Loek van Wely überreichte Sebastian einen Preis für die schönste Partie der achten Runde.

Hier die komplette Partie de Jong - Müer
 

Sebastian nimmt einen Buchpreis von Loek van Wely entgegen.
Hinzu kam noch ein Jahresabo vom New in Chess Magazine.
... und am Brett.

In der Schlußrunde kam gegen einen weiteren IM erneut eine Vorbereitung auf das Brett, der Gegner wich jedoch von der Hauptlinie ab. Sebastian kam damit aber ganz gut zurecht, und diese Partie endete schließlich ohne größere Komplikationen mit einem leistungsgerechten Remis.

5,0 aus 9 und damit „+1“ sowie eine Performance von etwa 2330 Punkten brachten Sebastian 30 Punkte ELO-Zugewinn, was schon ein schöner Erfolg ist. Auch die DWZ stieg um 40 Punkte, somit nähert sich Sebastian wieder der 2200er-Marke.

Mein Turnier ging wie folgt zu Ende: Mit 3,5 aus 4 traf ich auf 2000 in Runde fünf. Ich bekam hier Probleme in der Eröffnung und musste um Ausgleich kämpfen. Mein Gegner ließ Chancen aus, und im Läuferendspiel stellte er in Zeitnot schließlich sogar einen Bauern ein. Ich erreichte eine Gewinnstellung mit Randbauer bei gleichfarbigen Läufern sowie weit entferntem König des Gegners, aber da ich diese Position für eine Selbstverwaltung hielt, spielte ich zu schnell und verpatzte es zum Remis.

Runde sechs, wieder gegen 2000, lief völlig an mir vorbei. Nach passiver Eröffnung opferte ich einen Springer für zwei Bauern. Mein Gegner räumte mir Chancen ein und durch einen taktischen Schlag hätte ich die Figur zurückgewinnen können mit Gewinnstellung. Auch hier spielte ich aber wieder zu schnell und vertauschte die Züge, wonach er noch eine Rettungsaktion hatte. Danach verlor ich schnell. Das war bitter. Hier die kritische Phase:

Algera - Modder

Die Schlußrunde brachte nochmal eine interessante Partie gegen 1975. Mit Schwarz hatte ich schnell keine Probleme, doch er machte auch keine unverzeihlichen Verlustzüge. In seiner Zeitnot startete ich einen Mattangriff, aber er konnte so spielen, dass es nicht mehr als Dauerschach wurde. Diese Partie war ohne grobe Fehler von beiden Seiten gespielt und als solche von meinen einzigartig. Hier das Ende dieser Begegnung:

Mol - Modder

Damit sind wir wieder beim Thema grobe Fehler von oben: In sechs meiner Partien wurden grobe Fehler gespielt, natürlich auch von mir selbst. Und es waren einige 2000er dabei. Das zeigt, dass man auf diesem Niveau, sagen wir bis 2100, fast immer taktische Chancen bekommt, in fast jeder Partie. Man muss sie dann nur ausnutzen. Leider vermeidet man selber auch die groben Patzer eben nicht immer, und somit verbaut man sich den Weg zu mehr. Dennoch auch für mich ein gutes Turnier. Am Ende 4,5 aus 7 und ein 12. Tabellenplatz. Knapp 30 DWZ-Punkte gab es hinzu und damit wieder den Sprung über 1900.

Fazit

Ein tolles Turnier. Ideale Bedingungen und Anstoßzeiten, eine kompetente Turnierleitung und ein attraktives Teilnehmerfeld. Und wenn man dazu noch Leistung zeigen kann - was will man eigentlich mehr!
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Hier noch der Link zur Turnierseite:

Unive Chess

- frank modder, 22.10.2014
 

Hoogeveen - die neue Schachhochburg?