- HSG Open, Hilversum, Niederlande, 2012 -
22.06. - 24.06.

 
Traditionelles Open der SG Hilversum
 
Sebastian Müer auf Platz 10 - Erwartungen nicht ganz erfüllt, aber gut gekämpft

Und wieder ein Turnier in den Niederlanden! Nach Dordrecht und Limburg war Hilversum bereits die dritte Station in diesem Jahr für Sebastian Müer und mich bei unseren westlichen Nachbarn. Die SG Hilversum führte ihr traditionelles Open durch, was aber in diesem Jahr auf nur drei Turniertage zusammengeschrumpft wurde. Dennoch gab es gute Preisgelder und ein paar Großmeister waren entsprechend auch am Start. Gespielt wurde in zwei Gruppen (A ab 1850 Wertungspunkten, B bis max. 1900). In sechs Runden nach dem Schweizer System wurde mit einer Bedenkzeit von zwei Stunden für die gesamte Partie zzgl. 5 Sekunden pro Zug von Zug Nr. 1 an gespielt. Also gab es keine Zeitkontrolle.

Sebastian war im A-Turnier an Platz 8 gesetzt von ca. 58 Teilnehmern. Um Geld zu gewinnen, war ein Abschneiden auf den ersten fünf Plätzen notwendig. Da mir die Bedenkzeitregelung nicht zusagte und ich parallel auch gerne ein paar Fußball-EM-Spiele schauen wollte, entschied ich mich, diesmal nur in unterstützender Funktion mitzufahren und mich nicht selbst ans Brett zu setzen. Aber es gibt vor Ort immer was zu tun und zu gucken, langweilig wurde es nie.

Nach zweistündiger Anreise erreichten wir Hilversum am Freitag Mittag. Die Gemeinde liegt etwa 30 km südöstlich von Amsterdam und beherbergt ca. 85000 Einwohner, genießt jedoch kein Stadtrecht. Gespielt wurde im Saal eines Hotels. Es war vom Platz her etwas eng und es fehlte natürliches Tageslicht, aber andererseits wurde das Mitbringen eigener Getränke nicht moniert und die Preise waren erschwinglich, z.B. Kaffee 1,50. EUR. Die ersten sechs Bretter des A-Turniers und die ersten beiden des B-Turniers wurden zudem Live im Internet übertragen.

Bilder anklicken zur Vergrößerung. Neue Kamera im Einsatz!

 
Das Spielhotel. Sieht mehr so aus wie das
Clubhaus vom Augusta Masters Golfturnier.
Blick in den Analyseraum.
An der Leinwand im Hintergrund sieht man die Live-Partien.
 
1. Spieltag

Gleich am Mittag stand die erste Partie für Sebastian auf dem Programm. Es ging mit Schwarz gegen einen jungen Gegner mit 2029 Wertungspunkten. Dieser erwies sich allerdings im weiteren Turnierverlauf als sehr stark und legte am Ende eine Turnierleistung von 2238 hin. Sebastian ließ in der Partie leider einen Bauerngewinn mit dann auch überlegener Stellung aus. Später stellte er in ungefähr ausgeglichener Lage durch einen Zug a tempo eine Figur ein. Eine schlimme Niederlage. Es ist schwierig, nach so etwas ins Turnier zurückzufinden.

Doch in den folgenden Runden steigerte sich Sebastian Partie um Partie und wurde zusehends stärker. Zunächst wurde ein 2014er recht deutlich besiegt. Dieser wählte einen etwas verfehlten Eröffnungsplan und kam positionell in Schwierigkeiten. Ein Qualitätsopfer konnte die Probleme auch nicht mehr lösen. Als Sebastian mit seiner Dame auf die siebte Reihe mit starken Drohungen eindrang, gab der Gegner auf. Das war gerade rechtzeitig – wir schafften es noch zum EM-Spiel gegen Griechenland! Hier wurde ja ebenfalls ein 1:1-Zwischenstand erreicht, ehe die Deutschen auf 4:1 davonzogen - Sebastian ließ sich hier anscheinend inspirieren für das weitere Turnier...

Das Spiel sahen wir in unserer Unterkunft im nahegelegenen Bussum. Hilversum selber scheint übrigens kein Interesse am Tourismus zu haben. Die Verwaltung bietet auf ihrer Internetseite keine Informationen zu Übernachtungen (oder gut versteckt!?) und reagiert auch nicht auf entsprechende Anfragen. Da uns Hotels zu teuer und die wenigen Privatzimmer schon belegt waren, wichen wir in den o.g,. Nachbarort aus. Auch die Parkgebühren in Hilversum (1 Std. für 3,40 EUR!!) schreckten eher ab...

2. Spieltag

Der zweite Turniertag, der Samstag, sah erneut Spielbeginn der ersten Partie für 12:30 Uhr vor. Sebastian traf mit einem Gegner (2091) zusammen, gegen den er zuletzt bereits beim Limburg Open spielte. Damals gewann er nach sehr hartem Kampf. Da der Gegner diesmal zudem noch Weiß hatte, stand eine schwierige Aufgabe bevor. Die Eröffnung meisterte El Basto (oder, da wir ja in den Niederlanden sind, sollten wir wohl eher van Basto sagen) gut. Im späteren Mittelspiel belagerte Weiß einen vereinzelten Bauern am Damenflügel. Diesen nahm er dann allerdings zu früh, Sebastian konnte eine Kombination auf den gegnerischen König spielen und eine Figur gewinnen, danach ging die Partie schnell zu Ende.
 

Sebastian in Aktion.
Der Herr in Blau hatte gerade einen bösen
Geist gesehen, der über einigen Brettern schwebte.
Eine kleine Impression der Reihe mit den Top-Brettern.
 
2,0/3. Aber natürlich lief Sebastian noch der Niederlage aus der ersten Runde hinterher. Würde nun endlich ein Gegner kommen, der von der Zahl her in etwa gleichwertig war? Nein, es ging wieder gegen einen jungen Spieler mit 2040 Punkten. Sebastian zeigte hier mit Weiß eine starke Leistung und überspielte seinen Gegner positionell nach und nach. Nach Abwürgen des Gegenspiels entschied ein Bauernvorstoß im Zentrum die Partie. Hervorzuheben war hier sicherlich noch die gezeigte Technik, mit der der Punkt eingefahren wurde.

Diese konnten auch einmal mehr die spanischen Fußballer demonstrieren, die Schlußphase ihres Spiels gegen Frankreich konnten wir noch im Hotel verfolgen. Das lässt für den Turnierausgang der EM wieder einiges befürchten!

3. Spieltag

Somit ging es in den letzten Turniertag mit 3,0/4. Am Sonntag begannen die Spiele bereits um 9:30 Uhr. Kam nach dem dritten Sieg in Folge jetzt endlich ein erhoffter Top-Gegner? Nein: 1928 wies der junge Niederländer auf. Dafür hatte sich van Basto aber bis an Brett 6 vorgekämpft und wurde Live übertragen. In der Eröffnung wählte der Niederländer eine Nebenvariante, Sebastian widerlegte schnell das gegnerische Spiel und stand ausgangs der Eröffnung schon etwas besser. Sein Gegenüber opferte die Qualität, aber Sebastian erhielt danach eine Gewinnstellung. Hier legte er erneut eine exzellente Technik an den Tag und führte die Partie zum Sieg. Eine Glanzvorstellung.

Nach dem vierten Einser in Folge lag Sebastian vor der letzten Runde auf dem geteilten 2.-8. Platz, nur GM Guliyev hatte 4,5 Punkte. Mit Weiß ging es nun auch endlich gegen einen Titelträger, GM Dgebuadze. Erneut lieferte Sebastian eine starke Leistung und spielte völlig auf Augenhöhe mit. Am Ende entwickelte sich eine dramatische Zeitnotschlacht. In einem Endspiel mit Läufer gegen Springer lebte Sebastian häufig nur noch vom 5-Sekunden-Inkrement. Hier unterlief ihm dann ein Fehler und er verlor einen entscheidenden Bauern. Mit 1-2 Minuten mehr Bedenkzeit hätte er die Partie schon vorher vermutlich leicht remisiert. Eine epische Schlacht dennoch.

Fazit:

Am Ende stand Platz 10 und eine Turnierleistung, die der eigenen Zahl entsprach. Das konnte natürlich nicht zufriedenstellen. Aber wenn man die erste Partie mal weglässt, so muß man konstatieren, daß die Leistung doch im Grunde sehr stark war. Vier Siege, und ein so heißes Tänzchen mit einem Großmeister kann man auch immer verlieren. Mit dem Auftritt in Hilversum ist die Holland-Tournee nunmehr einstweilig beendet. Es sind wohl eher östliche Gefilde, die nun angesteuert werden.

Hier noch der Link zur Turnierseite:

HSG Open Hilversum

- frank modder, 26.06.2012
 

Mein erstes Bild als offizieller Turnierzeichner.
Man hat mich gleich angeheuert, da ich ja ohnehin vor Ort die Zeit hatte. Aber warum das Bild dem Zeichungseffekt meiner Kamera so ähnlich sieht, kann ich auch nicht sagen.