Sebastian Müer
auf Platz 10 - Erwartungen nicht ganz erfüllt, aber gut gekämpft
Und wieder ein Turnier
in den Niederlanden! Nach Dordrecht
und Limburg war Hilversum bereits die dritte Station in
diesem Jahr für Sebastian Müer und mich bei unseren westlichen
Nachbarn. Die SG Hilversum führte ihr traditionelles Open durch, was
aber in diesem Jahr auf nur drei Turniertage zusammengeschrumpft wurde.
Dennoch gab es gute Preisgelder und ein paar Großmeister waren entsprechend
auch am Start. Gespielt wurde in zwei Gruppen (A ab 1850 Wertungspunkten,
B bis max. 1900). In sechs Runden nach dem Schweizer System wurde mit einer
Bedenkzeit von zwei Stunden für die gesamte Partie zzgl. 5 Sekunden
pro Zug von Zug Nr. 1 an gespielt. Also gab es keine Zeitkontrolle.
Sebastian war im A-Turnier
an Platz 8 gesetzt von ca. 58 Teilnehmern. Um Geld zu gewinnen, war ein
Abschneiden auf den ersten fünf Plätzen notwendig. Da mir die
Bedenkzeitregelung nicht zusagte und ich parallel auch gerne ein paar Fußball-EM-Spiele
schauen wollte, entschied ich mich, diesmal nur in unterstützender
Funktion mitzufahren und mich nicht selbst ans Brett zu setzen. Aber es
gibt vor Ort immer was zu tun und zu gucken, langweilig wurde es nie.
Nach zweistündiger
Anreise erreichten wir Hilversum am Freitag Mittag. Die Gemeinde liegt
etwa 30 km südöstlich von Amsterdam und beherbergt ca. 85000
Einwohner, genießt jedoch kein Stadtrecht. Gespielt wurde im Saal
eines Hotels. Es war vom Platz her etwas eng und es fehlte natürliches
Tageslicht, aber andererseits wurde das Mitbringen eigener Getränke
nicht moniert und die Preise waren erschwinglich, z.B. Kaffee 1,50. EUR.
Die ersten sechs Bretter des A-Turniers und die ersten beiden des B-Turniers
wurden zudem Live im Internet übertragen.
Bilder anklicken
zur Vergrößerung. Neue Kamera im Einsatz!
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Das Spielhotel.
Sieht mehr so aus wie das
Clubhaus vom Augusta
Masters Golfturnier.
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Blick in den Analyseraum.
An der Leinwand im
Hintergrund sieht man die Live-Partien.
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1. Spieltag
Gleich am Mittag stand
die erste Partie für Sebastian auf dem Programm. Es ging mit Schwarz
gegen einen jungen Gegner mit 2029 Wertungspunkten. Dieser erwies sich
allerdings im weiteren Turnierverlauf als sehr stark und legte am Ende
eine Turnierleistung von 2238 hin. Sebastian ließ in der Partie leider
einen Bauerngewinn mit dann auch überlegener Stellung aus. Später
stellte er in ungefähr ausgeglichener Lage durch einen Zug a tempo
eine Figur ein. Eine schlimme Niederlage. Es ist schwierig, nach so etwas
ins Turnier zurückzufinden.
Doch in den folgenden
Runden steigerte sich Sebastian Partie um Partie und wurde zusehends stärker.
Zunächst wurde ein 2014er recht deutlich besiegt. Dieser wählte
einen etwas verfehlten Eröffnungsplan und kam positionell in Schwierigkeiten.
Ein Qualitätsopfer konnte die Probleme auch nicht mehr lösen.
Als Sebastian mit seiner Dame auf die siebte Reihe mit starken Drohungen
eindrang, gab der Gegner auf. Das war gerade rechtzeitig – wir schafften
es noch zum EM-Spiel gegen Griechenland! Hier wurde ja ebenfalls ein 1:1-Zwischenstand
erreicht, ehe die Deutschen auf 4:1 davonzogen - Sebastian ließ sich
hier anscheinend inspirieren für das weitere Turnier...
Das Spiel sahen wir
in unserer Unterkunft im nahegelegenen Bussum. Hilversum selber scheint
übrigens kein Interesse am Tourismus zu haben. Die Verwaltung bietet
auf ihrer Internetseite keine Informationen zu Übernachtungen (oder
gut versteckt!?) und reagiert auch nicht auf entsprechende Anfragen. Da
uns Hotels zu teuer und die wenigen Privatzimmer schon belegt waren, wichen
wir in den o.g,. Nachbarort aus. Auch die Parkgebühren in Hilversum
(1 Std. für 3,40 EUR!!) schreckten eher ab...
2. Spieltag
Der zweite Turniertag,
der Samstag, sah erneut Spielbeginn der ersten Partie für 12:30 Uhr
vor. Sebastian traf mit einem Gegner (2091) zusammen, gegen den er zuletzt
bereits beim Limburg Open spielte. Damals gewann er nach sehr hartem Kampf.
Da der Gegner diesmal zudem noch Weiß hatte, stand eine schwierige
Aufgabe bevor. Die Eröffnung meisterte El Basto (oder, da wir ja in
den Niederlanden sind, sollten wir wohl eher van Basto sagen) gut. Im späteren
Mittelspiel belagerte Weiß einen vereinzelten Bauern am Damenflügel.
Diesen nahm er dann allerdings zu früh, Sebastian konnte eine Kombination
auf den gegnerischen König spielen und eine Figur gewinnen, danach
ging die Partie schnell zu Ende.
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Sebastian in Aktion.
Der Herr in Blau hatte
gerade einen bösen
Geist gesehen, der
über einigen Brettern schwebte.
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Eine kleine Impression
der Reihe mit den Top-Brettern.
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2,0/3. Aber natürlich
lief Sebastian noch der Niederlage aus der ersten Runde hinterher. Würde
nun endlich ein Gegner kommen, der von der Zahl her in etwa gleichwertig
war? Nein, es ging wieder gegen einen jungen Spieler mit 2040 Punkten.
Sebastian zeigte hier mit Weiß eine starke Leistung und überspielte
seinen Gegner positionell nach und nach. Nach Abwürgen des Gegenspiels
entschied ein Bauernvorstoß im Zentrum die Partie. Hervorzuheben
war hier sicherlich noch die gezeigte Technik, mit der der Punkt eingefahren
wurde.
Diese konnten auch
einmal mehr die spanischen Fußballer demonstrieren, die Schlußphase
ihres Spiels gegen Frankreich konnten wir noch im Hotel verfolgen. Das
lässt für den Turnierausgang der EM wieder einiges befürchten!
3. Spieltag
Somit ging es in den
letzten Turniertag mit 3,0/4. Am Sonntag begannen die Spiele bereits um
9:30 Uhr. Kam nach dem dritten Sieg in Folge jetzt endlich ein erhoffter
Top-Gegner? Nein: 1928 wies der junge Niederländer auf. Dafür
hatte sich van Basto aber bis an Brett 6 vorgekämpft und wurde Live
übertragen. In der Eröffnung wählte der Niederländer
eine Nebenvariante, Sebastian widerlegte schnell das gegnerische Spiel
und stand ausgangs der Eröffnung schon etwas besser. Sein Gegenüber
opferte die Qualität, aber Sebastian erhielt danach eine Gewinnstellung.
Hier legte er erneut eine exzellente Technik an den Tag und führte
die Partie zum Sieg. Eine Glanzvorstellung.
Nach dem vierten Einser
in Folge lag Sebastian vor der letzten Runde auf dem geteilten 2.-8. Platz,
nur GM Guliyev hatte 4,5 Punkte. Mit Weiß ging es nun auch endlich
gegen einen Titelträger, GM Dgebuadze. Erneut lieferte Sebastian eine
starke Leistung und spielte völlig auf Augenhöhe mit. Am Ende
entwickelte sich eine dramatische Zeitnotschlacht. In einem Endspiel mit
Läufer gegen Springer lebte Sebastian häufig nur noch vom 5-Sekunden-Inkrement.
Hier unterlief ihm dann ein Fehler und er verlor einen entscheidenden Bauern.
Mit 1-2 Minuten mehr Bedenkzeit hätte er die Partie schon vorher vermutlich
leicht remisiert. Eine epische Schlacht dennoch.
Fazit:
Am Ende stand Platz
10 und eine Turnierleistung, die der eigenen Zahl entsprach. Das konnte
natürlich nicht zufriedenstellen. Aber wenn man die erste Partie mal
weglässt, so muß man konstatieren, daß die Leistung doch
im Grunde sehr stark war. Vier Siege, und ein so heißes Tänzchen
mit einem Großmeister kann man auch immer verlieren. Mit dem Auftritt
in Hilversum ist die Holland-Tournee nunmehr einstweilig beendet. Es sind
wohl eher östliche Gefilde, die nun angesteuert werden.
Hier noch der Link
zur Turnierseite:
HSG
Open Hilversum
- frank modder,
26.06.2012
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Mein erstes Bild
als offizieller Turnierzeichner.
Man hat mich gleich
angeheuert, da ich ja ohnehin vor Ort die Zeit hatte. Aber warum das Bild
dem Zeichungseffekt meiner Kamera so ähnlich sieht, kann ich auch
nicht sagen.
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