- Ems-Vechte-Cup -
23.06. - 25.06.
 

Launische Leistungen in Lingen
Sebastians Schüler gewinnt B-Open
 
Schwerer Stand im Emsland

Nach 8 Jahren fanden Sebastian und ich mal wieder den Weg ins emsländische Lingen. Damals fand die erste Ausgabe des Ems-Vechte-Cups statt. Jetzt zur neunten Edition rafften wir uns mal wieder auf - aber wie sich die Zeiten ändern! Damals war „mein“ Schachschüler Keno Lübsen als dritter Mann mit am Start, diesmal Sebastians Schüler Maik Schäfer. Leider zog sich Bast vor dem Turnier eine Sommergrippe zu und ging arg geschwächt ins Turnier. Ich beschränkte mich diesmal auf das Sekundieren der Beiden.

Über 90 Teilnehmer kamen in der Aula eines Gymnasiums zusammen. Gespielt wurde in zwei Wertungsgruppen, wobei Gruppe B bis 1600 DWZ limitiert war. Hier startete Maik, da er noch keine Zahl hatte. Sebastian war an Platz 6 gesetzt, u.a. hinter den Lingener GM-Legenden Epishin und Gutman. IM Ostrovskiy und unser Spezi Spartak Grigorian wollten ebenfalls oben mitmischen.
 

Turniersaal mit den Brettern des A-Turniers

Spielbedingungen waren ok, es wurde allerdings ohne Inkrement gespielt (2h/40+30), was Sebastian nicht so gefiel. Mir persönlich gefiel die frühe Anstoßzeit um 9 Uhr morgens nicht. Als Nachtmensch kommt der Motor erst am späteren Vormittag in Gang, auch Sebastian kennt das Problem. Ja, und er war wie gesagt angeschlagen - darum kam bei diesem Turnier nichts Vernünftiges heraus, aber er wollte unbedingt einen Bericht. Nicht nur Erfolgsmeldungen sollen durchkommen, aber wir hatten ja auch noch eine Waffe im B-Turnier.

Freitag

Machen wir es kurz und schmerzvoll. Der Auftakt war eigentlich noch ok. Am Freitag ging es abends gegen Ewert (1800), mit Schwarz. Der Gegner überließ Sebastian früh eine Bauernmehrheit im Zentrum, ohne adäquate Gegenmaßnahmen zu treffen. Bast opferte vorübergehend einen Bauern, zerstörte die gegnerische Struktur und gewann schnell:
 

Sebastian mit
Schwarz am Zug
Bast während
dieser Partie

9. … e5. Der frisst sich jetzt durch das Brett wie Aliensäure* durch die Bordwand der Nostromo. 10. S4-f3 e4 11. Sd4 e3 12. fxe3. Der säurehaltige Bauer ist gestoppt, aber … Sg4 ließ hier eigentlich keine Fragen mehr offen. Bast beendete die Partie danach nicht streng, aber dennoch recht flott.

Samstag

Mit Weiß ging es gegen 2000. Auch hier spielte Sebastian zunächst sehr stark. Diesmal war er es, der dem Gegner eine 2:1-Bauernmehrheit im Zentrum überließ, quasi wie beim Benoni, nur hier mit verkehrten Farben, Bast hatte ja Weiß. Nur, im Gegensatz zum Gegner der ersten Runde, griff er das Zentrum gleich mit Spiel am Damenflügel an. Nach dem Gewinn einer Qualität hätte die Sache eigentlich gelaufen sein sollen, aber Bast verpasste mehrere taktische Möglichkeiten. Hier exemplarisch eine davon:
 

Sebastian mit
Weiß am Zug

30. Txd7 ist sofort aus. Schwarz kann den Turm mit Schach nehmen, aber hat keine gute Fortsetzung. Alles hängt und es droht Sd6.

Durch die liegengelassenen Chancen brachte sich Sebastian letztlich selber in Zeitnot, am Ende musste er in Gewinnstellung in eine Zugwiederholung einwilligen. Das war sehr ärgerlich, und es ist schwer, sich davon zu erholen. Hier muss ich auch kritisch anmerken, dass man im Spielsaal mitten in der Zeitnotphase am Ende der 4. Stunde die Speisenausgabe öffnete, Geschirr- und Besteckklappern eingeschlossen. In dem Moment war ich echt froh, nicht spielen zu müssen! Sebastian sah es ähnlich, und wenn man ohnehin angeschlagen ist, kann man es noch weniger ausschalten.

Das ist natürlich keine Ausrede. Ich selber finde zum Beispiel Gespräche im Saal meistens wesentlich störender. Da MUSS man zuhören, und das Gesagte wird automatisch verarbeitet. Aber wie sagt man doch: Beschweren darf sich nur der Gewinner. Sebastian merkte auch eigene technische Mängel an.

Nach dieser „Zeitnotschlacht am kalten Buffet“ ging es dann gegen FM Gazic (2160). Bei besseren Spielern versucht man sich ja auch immer etwas abzugucken. In diesem Turnier fiel mir auf, dass Basts Gegner sich gerne mal 5 Minuten am Brett nahm für den ersten Zug - auch mit Weiß. Es war Bronstein, der sich da mal 50 Minuten gönnte**. Und der hat es immerhin zum GM gebracht***. Nun gut - die Grundstellung im Schach gehört ja zu den komplexesten Konstellationen unter der Sonne, da kann man mal etwas Zeit investieren. Nicht übernehmen werde ich für mich aber das Antäuschen von Zügen, um dann andere zu spielen. Ich habe einfach nicht das ruhige Händchen eines Meisters und Angst, da etwas zu berühren. Na, genug gefrotzelt! :-) Auf zur Partie!

Sebastian spielte die Eröffnung nicht perfekt, hatte aber eine spielbare Stellung. Seine Behandlung mit dem Vormarsch des f-Bauern war allerdings nicht stellungsgemäß:
 

Sebastian mit
Schwarz am Zug

11. … f5 12. Sd5 Dd7 13. Sh4 (das Gegengift) Kh7 14. f4. Aufgabe für den Leser: Wie gewann Weiß nach nun … Sd4? einen Bauern? Unter allen richtigen Einsendern verloren wir ein Mittagessen beim nächsten Ems-Vechte-Cup!****
 

Abendessen in Bunde
mit Steak nach El Basto-Art

Sonntag

Ein bitteres Erlebnis, das war der Samstag. Das Turnier war im Grunde zu Ende, nun musste man sich noch durch die beiden letzten Runden kraulen. Am Sonntag ging es gegen den jungen Delmenhorster Mattis Trätmar (1900) mit Weiß. Bast wurde durch einen interessanten Nebenzug in der Eröffnung etwas aus seinem Konzept geworfen, und erneut gelang es ihm nicht, adäquat darauf zu reagieren. Sebastian verlor einen Bauern und dann kam ein kurioses Ende:
 

Sebastian mit
Weiß am Zug

Hier steht Bast bereits mit dem Rücken zur Wand, möglicherweise ist er bereits durchgebrochen. Aber er schürfte nochmal tief, und was grub er aus? 20. Tb1. Sein Gegner fand auch den entscheidenden Abzug … Ld4, aber ließ ein Remisangebot folgen. Es hätte kommen können 21. Txb4 Lxa7 22. Lxa7 Tc8 nebst klar besserer Stellung für Schwarz. Gegen einen Gegner mit Basts Spielstärke hätte mir da aber auch durchaus mal ein Remisangebot rausflutschen können. Sebastian blieb nichts anderes, als es anzunehmen.

In der letzten Runde hatte er dann nochmal Schwarz gegen 1800. Gegen das betonrüchtigte Londoner System, welches eine kleine Renaissance erfahren hat (heutzutage scheint ja alles wiederzukommen, da ist man erst beruhigt, wenn da einer mit ´nem Flock…) schlug unser Hauptheld aber eine scharfe Klinge:
 

Sebastian mit
Schwarz am Zug

10. … e5!? Sein Markenzeichen in diesem Turnier. In Anlehnung an eine alte TV-Sendung die Frage: Hätten Sie’s gespielt? Sebastian gibt einen Bauern für aktives Figurenspiel und Beeinträchtigung der gegnerischen Struktur: 11. dxe5 Sd5 12. Sc4 Sxf4 13. exf4 dxe5 14. Dxd8 Txd8 15. Sfxe5 Sd4. Das ist sicherlich nicht unbedingt forciert. Aber man muss hier schon mit der Lupe suchen. Schwarz steht besser: Seine Entwicklung ist gut (der weiße König hingegen hängt im Zentrum fest), es droht mal Sc2, und Weiß kann nur reagieren. Schnell gewann Sebastian das Material mit Zinsen zurück und beendete das Turnier wenigstens mit einem vollen Punkt.

Letztlich ein enttäuschendes Turnier und ein Rang unter „ferner liefen“. Es dürfte etwa ein Rating von -20 zu Buche schlagen. Gewonnen wurde das Turnier von den beiden teilnehmenden Großmeistern, die allerdings am letzten Spieltag auf’s Spielen verzichteten und jeweils zwei Kurzremisen machten. Vielleicht sollte man auch in den hiesigen Open mal darüber nachdenken, eine Sofia-Regel einzuführen. Allerdings ist im Gegensatz zu Einladungsturnieren den Veranstaltern von Open relativ egal, was sie für ihr Geld bekommen, insofern ist die Hoffnung in diese Richtung eher trügerisch.

Mighty Maik

Sebastians Schützling Maik schlug sich in seinen allerersten Turnierpartien hervorragend. Das B-Turnier war vermutlich etwas zu schwach für ihn, aber als Testgelände gut geeignet. Mehr war nicht erlaubt, da er keine DWZ hatte. In den ersten 4 Runden spielte er jeweils gegen weibliche Gegner. Er gewann alle Partien, meist recht überzeugend, nur einmal ließ er etwas zu viel Gegenspiel zu, bevor er den Sack dann endgültig zumachte.

In der letzten Runde ging es um den Turniersieg, dazu hätte bereits ein Remis gereicht - mit Schwarz allerdings. Sein Gegner, vom Kaliber älterer Typ mit osteuropäischem Hintergrund, war ebenfalls ohne DWZ ins Turnier gegangen, hatte aber 1700 ELO und sah es wohl auf den Turniersieg ab. Kurioserweise waren es also die beiden Letzten der Setzliste, die zum Showdown antraten. Maik zeigte, dass er taktisch einiges sieht - aber dass es da auch noch zu verbessern gilt:
 

Maik mit
Schwarz am Zug
Maik bei den ersten Zügen
seiner ersten Turnierpartie

25. … Lxh4. Vermutlich die beste Chance für Schwarz in dieser Stellung. Falls Weiß den Läufer schlägt, folgt Sf4+, und der Springer frisst sich bis b2 durch. Weiß hat mehrere Ausreden und wählte: 26. Lg4 T5-f7. Ungenau. Tg5 musste kommen, aber es ist auch nicht einfach zu sehen. 27. Lxe6 Sxe6. Der Tausch hilft nur Schwarz. Nun war gxh4 wohl die beste Wahl für Weiß. Nach 28. Se4 Le7 hatte sich Schwarz jedenfalls konsolidiert. Später hatte Maik ein gewonnenes Endspiel auf dem Brett, aber er ließ den Gegner noch in ein Remis entwischen - was ihm dennoch zum 1. Platz und 200 EUR reichte. Ein starkes Auftaktturnier mit einer Performance von 1800 DWZ.

Fazit

Lauchiges Turnier, launischer  Bericht. Kein Schritt nach vorne zumindest für Sebastian, der keine Bewegung in Richtung FM machen konnte. Es bleibt abzuwarten, ob es vor den Mannschaftskämpfen noch ein Turnier geben wird. Allerdings spielt Sebastian im Dähne-Pokal, wo er nach drei gewonnenen Partien als Sieger des Bezirks 5 das niedersächsische Landesfinale im August spielen wird. Vorher geht es noch nach Pardubice - allerdings diesmal nur ins Trainingslager.

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 30.06.2017
 

Siegerehrung. Maik stehend hinten 2. von links.

*  Eigentlich die Säure des Facehuggers, aber wir wollen mal nicht zu streng sein.

** Gegen Boleslawski, mit dem er gut befreundet war. (Zumindest vor der Partie)

*** Und um Haaresbreite sogar WM. Aber Botwinnik hätte ihn vermutlich mit seiner Thermoskanne geschlagen…

**** Auch auf die Gefahr hin, um die kulinarischen Gaumenfreuden gebracht zu werden:
15. Sxe7 Dxe7 16. Lxd4 cxd4 17. fxe5 dxe5 18. exf5 gxf5 19. Sxf5.