Schwerer Stand
im Emsland
Nach 8 Jahren fanden
Sebastian und ich mal wieder den Weg ins emsländische Lingen. Damals
fand die erste Ausgabe des Ems-Vechte-Cups statt. Jetzt zur neunten Edition
rafften wir uns mal wieder auf - aber wie sich die Zeiten ändern!
Damals war „mein“ Schachschüler Keno Lübsen als dritter Mann
mit am Start, diesmal Sebastians Schüler Maik Schäfer. Leider
zog sich Bast vor dem Turnier eine Sommergrippe zu und ging arg geschwächt
ins Turnier. Ich beschränkte mich diesmal auf das Sekundieren der
Beiden.
Über 90 Teilnehmer
kamen in der Aula eines Gymnasiums zusammen. Gespielt wurde in zwei Wertungsgruppen,
wobei Gruppe B bis 1600 DWZ limitiert war. Hier startete Maik, da er noch
keine Zahl hatte. Sebastian war an Platz 6 gesetzt, u.a. hinter den Lingener
GM-Legenden Epishin und Gutman. IM Ostrovskiy und unser Spezi Spartak Grigorian
wollten ebenfalls oben mitmischen.
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Turniersaal mit
den Brettern des A-Turniers
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Spielbedingungen waren
ok, es wurde allerdings ohne Inkrement gespielt (2h/40+30), was Sebastian
nicht so gefiel. Mir persönlich gefiel die frühe Anstoßzeit
um 9 Uhr morgens nicht. Als Nachtmensch kommt der Motor erst am späteren
Vormittag in Gang, auch Sebastian kennt das Problem. Ja, und er war wie
gesagt angeschlagen - darum kam bei diesem Turnier nichts Vernünftiges
heraus, aber er wollte unbedingt einen Bericht. Nicht nur Erfolgsmeldungen
sollen durchkommen, aber wir hatten ja auch noch eine Waffe im B-Turnier.
Freitag
Machen wir es kurz
und schmerzvoll. Der Auftakt war eigentlich noch ok. Am Freitag ging es
abends gegen Ewert (1800), mit Schwarz. Der Gegner überließ
Sebastian früh eine Bauernmehrheit im Zentrum, ohne adäquate
Gegenmaßnahmen zu treffen. Bast opferte vorübergehend einen
Bauern, zerstörte die gegnerische Struktur und gewann schnell:
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Sebastian mit
Schwarz am Zug
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Bast während
dieser Partie
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9. … e5. Der
frisst sich jetzt durch das Brett wie Aliensäure*
durch die Bordwand der Nostromo. 10. S4-f3 e4 11. Sd4 e3
12. fxe3. Der säurehaltige Bauer ist gestoppt, aber … Sg4
ließ hier eigentlich keine Fragen mehr offen. Bast beendete die Partie
danach nicht streng, aber dennoch recht flott.
Samstag
Mit Weiß ging
es gegen 2000. Auch hier spielte Sebastian zunächst sehr stark. Diesmal
war er es, der dem Gegner eine 2:1-Bauernmehrheit im Zentrum überließ,
quasi wie beim Benoni, nur hier mit verkehrten Farben, Bast hatte ja Weiß.
Nur, im Gegensatz zum Gegner der ersten Runde, griff er das Zentrum gleich
mit Spiel am Damenflügel an. Nach dem Gewinn einer Qualität hätte
die Sache eigentlich gelaufen sein sollen, aber Bast verpasste mehrere
taktische Möglichkeiten. Hier exemplarisch eine davon:
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Sebastian mit
Weiß am Zug
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30. Txd7 ist sofort
aus. Schwarz kann den Turm mit Schach nehmen, aber hat keine gute Fortsetzung.
Alles hängt und es droht Sd6.
Durch die liegengelassenen
Chancen brachte sich Sebastian letztlich selber in Zeitnot, am Ende musste
er in Gewinnstellung in eine Zugwiederholung einwilligen. Das war sehr
ärgerlich, und es ist schwer, sich davon zu erholen. Hier muss ich
auch kritisch anmerken, dass man im Spielsaal mitten in der Zeitnotphase
am Ende der 4. Stunde die Speisenausgabe öffnete, Geschirr- und Besteckklappern
eingeschlossen. In dem Moment war ich echt froh, nicht spielen zu müssen!
Sebastian sah es ähnlich, und wenn man ohnehin angeschlagen ist, kann
man es noch weniger ausschalten.
Das ist natürlich
keine Ausrede. Ich selber finde zum Beispiel Gespräche im Saal meistens
wesentlich störender. Da MUSS man zuhören, und das Gesagte wird
automatisch verarbeitet. Aber wie sagt man doch: Beschweren darf sich nur
der Gewinner. Sebastian merkte auch eigene technische Mängel an.
Nach dieser „Zeitnotschlacht
am kalten Buffet“ ging es dann gegen FM Gazic (2160). Bei besseren Spielern
versucht man sich ja auch immer etwas abzugucken. In diesem Turnier fiel
mir auf, dass Basts Gegner sich gerne mal 5 Minuten am Brett nahm für
den ersten Zug - auch mit Weiß. Es war Bronstein, der sich da mal
50 Minuten gönnte**. Und der hat es immerhin zum GM gebracht***. Nun
gut - die Grundstellung im Schach gehört ja zu den komplexesten Konstellationen
unter der Sonne, da kann man mal etwas Zeit investieren. Nicht übernehmen
werde ich für mich aber das Antäuschen von Zügen, um dann
andere zu spielen. Ich habe einfach nicht das ruhige Händchen eines
Meisters und Angst, da etwas zu berühren. Na, genug gefrotzelt! :-)
Auf zur Partie!
Sebastian spielte die
Eröffnung nicht perfekt, hatte aber eine spielbare Stellung. Seine
Behandlung mit dem Vormarsch des f-Bauern war allerdings nicht stellungsgemäß:
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Sebastian mit
Schwarz am Zug
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11. … f5 12. Sd5
Dd7 13. Sh4 (das Gegengift) Kh7 14. f4. Aufgabe für den Leser:
Wie gewann Weiß nach nun … Sd4? einen Bauern? Unter allen
richtigen Einsendern verloren wir ein Mittagessen beim nächsten Ems-Vechte-Cup!****
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Abendessen in
Bunde
mit Steak nach El
Basto-Art
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Sonntag
Ein bitteres Erlebnis,
das war der Samstag. Das Turnier war im Grunde zu Ende, nun musste man
sich noch durch die beiden letzten Runden kraulen. Am Sonntag ging es gegen
den jungen Delmenhorster Mattis Trätmar (1900) mit Weiß. Bast
wurde durch einen interessanten Nebenzug in der Eröffnung etwas aus
seinem Konzept geworfen, und erneut gelang es ihm nicht, adäquat darauf
zu reagieren. Sebastian verlor einen Bauern und dann kam ein kurioses Ende:
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Sebastian mit
Weiß am Zug
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Hier steht Bast bereits
mit dem Rücken zur Wand, möglicherweise ist er bereits durchgebrochen.
Aber er schürfte nochmal tief, und was grub er aus? 20. Tb1.
Sein Gegner fand auch den entscheidenden Abzug … Ld4, aber ließ
ein Remisangebot folgen. Es hätte kommen können 21. Txb4 Lxa7
22. Lxa7 Tc8 nebst klar besserer Stellung für Schwarz. Gegen einen
Gegner mit Basts Spielstärke hätte mir da aber auch durchaus
mal ein Remisangebot rausflutschen können. Sebastian blieb nichts
anderes, als es anzunehmen.
In der letzten Runde
hatte er dann nochmal Schwarz gegen 1800. Gegen das betonrüchtigte
Londoner System, welches eine kleine Renaissance erfahren hat (heutzutage
scheint ja alles wiederzukommen, da ist man erst beruhigt, wenn
da einer mit ´nem Flock…) schlug unser Hauptheld aber
eine scharfe Klinge:
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Sebastian mit
Schwarz am Zug
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10. … e5!? Sein
Markenzeichen in diesem Turnier. In Anlehnung an eine alte TV-Sendung die
Frage: Hätten Sie’s gespielt? Sebastian gibt einen Bauern für
aktives Figurenspiel und Beeinträchtigung der gegnerischen Struktur:
11. dxe5 Sd5 12. Sc4 Sxf4 13. exf4 dxe5 14. Dxd8 Txd8 15. Sfxe5 Sd4.
Das ist sicherlich nicht unbedingt forciert. Aber man muss hier schon mit
der Lupe suchen. Schwarz steht besser: Seine Entwicklung ist gut (der weiße
König hingegen hängt im Zentrum fest), es droht mal Sc2, und
Weiß kann nur reagieren. Schnell gewann Sebastian das Material mit
Zinsen zurück und beendete das Turnier wenigstens mit einem vollen
Punkt.
Letztlich ein enttäuschendes
Turnier und ein Rang unter „ferner liefen“. Es dürfte etwa ein Rating
von -20 zu Buche schlagen. Gewonnen wurde das Turnier von den beiden teilnehmenden
Großmeistern, die allerdings am letzten Spieltag auf’s Spielen verzichteten
und jeweils zwei Kurzremisen machten. Vielleicht sollte man auch in den
hiesigen Open mal darüber nachdenken, eine Sofia-Regel einzuführen.
Allerdings ist im Gegensatz zu Einladungsturnieren den Veranstaltern von
Open relativ egal, was sie für ihr Geld bekommen, insofern ist die
Hoffnung in diese Richtung eher trügerisch.
Mighty Maik
Sebastians Schützling
Maik schlug sich in seinen allerersten Turnierpartien hervorragend. Das
B-Turnier war vermutlich etwas zu schwach für ihn, aber als Testgelände
gut geeignet. Mehr war nicht erlaubt, da er keine DWZ hatte. In den ersten
4 Runden spielte er jeweils gegen weibliche Gegner. Er gewann alle Partien,
meist recht überzeugend, nur einmal ließ er etwas zu viel Gegenspiel
zu, bevor er den Sack dann endgültig zumachte.
In der letzten Runde
ging es um den Turniersieg, dazu hätte bereits ein Remis gereicht
- mit Schwarz allerdings. Sein Gegner, vom Kaliber älterer Typ mit
osteuropäischem Hintergrund, war ebenfalls ohne DWZ ins Turnier gegangen,
hatte aber 1700 ELO und sah es wohl auf den Turniersieg ab. Kurioserweise
waren es also die beiden Letzten der Setzliste, die zum Showdown antraten.
Maik zeigte, dass er taktisch einiges sieht - aber dass es da auch noch
zu verbessern gilt:
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Maik mit
Schwarz am Zug
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Maik bei den ersten
Zügen
seiner ersten Turnierpartie
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25. … Lxh4.
Vermutlich die beste Chance für Schwarz in dieser Stellung. Falls
Weiß den Läufer schlägt, folgt Sf4+, und der Springer frisst
sich bis b2 durch. Weiß hat mehrere Ausreden und wählte: 26.
Lg4 T5-f7. Ungenau. Tg5 musste kommen, aber es ist auch nicht einfach
zu sehen. 27. Lxe6 Sxe6. Der Tausch hilft nur Schwarz. Nun war gxh4
wohl die beste Wahl für Weiß. Nach 28. Se4 Le7 hatte
sich Schwarz jedenfalls konsolidiert. Später hatte Maik ein gewonnenes
Endspiel auf dem Brett, aber er ließ den Gegner noch in ein Remis
entwischen - was ihm dennoch zum 1. Platz und 200 EUR reichte. Ein starkes
Auftaktturnier mit einer Performance von 1800 DWZ.
Fazit
Lauchiges Turnier,
launischer Bericht. Kein Schritt nach vorne zumindest für Sebastian,
der keine Bewegung in Richtung FM machen konnte. Es bleibt abzuwarten,
ob es vor den Mannschaftskämpfen noch ein Turnier geben wird. Allerdings
spielt Sebastian im Dähne-Pokal, wo er nach drei gewonnenen Partien
als Sieger des Bezirks 5 das niedersächsische Landesfinale im August
spielen wird. Vorher geht es noch nach Pardubice - allerdings diesmal nur
ins Trainingslager.
Offizielle
Turnierseite
- frank modder,
30.06.2017
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Siegerehrung.
Maik stehend hinten 2. von links.
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* Eigentlich
die Säure des Facehuggers, aber wir wollen mal nicht zu streng sein.
** Gegen Boleslawski,
mit dem er gut befreundet war. (Zumindest vor der Partie)
*** Und um Haaresbreite
sogar WM. Aber Botwinnik hätte ihn vermutlich mit seiner Thermoskanne
geschlagen…
**** Auch auf die Gefahr
hin, um die kulinarischen Gaumenfreuden gebracht zu werden:
15. Sxe7 Dxe7 16.
Lxd4 cxd4 17. fxe5 dxe5 18. exf5 gxf5 19. Sxf5.
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