- Deutsche Schnellschacheinzelmeisterschaft 2013 -
Gladenbach, Hessen
28.09. - 29.09.

 
Mit Sebastian Müer auf der "Deutschen"
 
Empfehlung: Das Treppchen

Im hessischen Gladenbach fand die diesjährige Deutsche Einzelmeisterschaft im Schnellschach statt. Sebastian hatte sich durch seine Placierung (4.) bei der Landesmeisterschaft in Verden im Januar einen Startplatz gesichert. 29 Teilnehmer machten sich auf den Weg nach Hessen. An zwei Tagen wurden neun Runden nach Schweizer System ausgetragen. Die Bedenkzeit war etwas anders als auf Landesebene: Statt 30-Minuten-Partien wurde mit jeweils 25 Minuten plus 5 Sekunden Inkrement gespielt. Das hat sich eigentlich auch bewährt - der Zeitplan konnte gut eingehalten werden. Anders war es z.B. zuletzt beim World Cup in Tromsø. Dort wurde mit 10 Sekunden Zeitzugabe pro Zug gespielt und die Partien dauerten teilweise an die zwei Stunden…

Ziel von Sebastian war die obere Tabellenhälfte. Gesetzt war er an Platz 26. Also durchaus ein ambitioniertes Ziel. Das Turnier ging wie gesagt über zwei Tage, eine gute Entscheidung war die Anreise am Tag vorher. Gladenbach ist ein recht kleines Städtchen mit ca. 12000 Einwohnern. Am Abend war es gar nicht so leicht, dort noch etwas zu Essen zu bekommen. In der Unterkunft sagte man uns, man empfehle "das Treppchen" (nettes Lokal am Hauptplatz). Wir grinsten natürlich nur. Klar, daß ich Sebastian prompt für das Turnier ebenfalls das Treppchen empfohlen habe... Aber sein Ziel war ja schon abgesteckt!

Fotos können wie immer per Klick vergrößert werden

 
Impressionen aus Gladenbach.
Der Spielort: Haus des Gastes.
 
Erster Tag

Sebastian startete ins Turnier mit einer Niederlage gegen IM An. Donchenko (2467 ELO). Hier war ein schiefgegangenes Eröffnungsexperiment Grundstein des Verlustes. Es folgte ein solides Schwarzremis gegen FM Schenderowitsch (2300). Sebastian schien hier etwas passiver zu stehen, als er ein Remis ablehnte. Aber er demonstrierte aktive Ideen und stand nachher teilweise sogar besser. Es folgte eine weitere Weißniederlage, diesmal gegen IM Spieß (2429). Sebastian spielte die Eröffnung ungenau und stand etwas schlechter, als er einen taktischen Fehler beging und eine Figur verlor.

Hier eine andere Partie der 3. Runde:
 
FM Vatter (2288) - GM Krämer (2542)
Stellung nach 18. Sc6:
 
Die Stellung ist nicht unkritisch für Schwarz, vermutlich war schon der letzte Zug ... Se4 nicht genau. Hier nun sollte Schwarz auf c6 zurückschlagen, leistete sich aber mit 18. … Sc3:+?? einen für einen GM schon ordentlichen Bock. Nach 19. Dc3: hängt die Da5, der Se7 mit Schach und Schwarz hat schon eine Figur weniger. Schwarz gab kopfschüttelnd kurz darauf auf.

Für Sebastian galt es nach dem verhaltenen Auftakt, sich nun auf die Hinterbeine zu stellen. In Runde vier gab es den ersten vollen Punkt. Gegner war Kai Uwe Steingräber (2153) aus Delmenhorst. Weiß spielte einen wenig ambitionierten Aufbau und Sebastian hatte schnell etwas Vorteil. Auch wenn er taktische Möglichkeiten ausließ, konnte er doch in ein gewonnenes Schwerfigurenendspiel abwickeln.
 

Sebastian und Kai Uwe spielten...
...schau' mich nicht an, er war's!
 
Es folgte die letzte Partie des ersten Tages, welcher um 14 Uhr begonnen hatte. Es wurde ohne Pause durchgespielt und die fünfte und letzte Runde war dann auch gegen 19:30 Uhr beendet. Sebastian spielte Weiß gegen Heinl (2173). Schwarz nahm hier früh einen vergifteten Bauern, was ihn eine Figur kostete. Diese Partie brachte Sebastian dann in der folgenden Stellung in gutem Stil nach Hause:
 
Müer (2231) - Heinl (2173)
Stellung nach 23. … Th8
 
Weiß hat eine völlige Gewinnstellung. Hier kann man schon über eine Sondervorstellung von Matt-Tricks Reloaded nachdenken. Sebastian schloss die Partie prosaisch mit 24. Sd6: Sd6: 25. Se5+ Ke8 26. De7:+ 1-0. Somit 2,5 Punkte, also 50% am ersten Tage. Damit konnte Sebastian doch relativ zufrieden sein. Eine solide Leistung.

Eine Partie aus der 4. Runde:
 
Ulms (2123) - IM Zelbel (2393)
Stellung nach 33. … Df4:
 
Hier waren zwei Spieler am Werk, die beide ein gutes Turnier hinlegten. Ulms landete als einziger weiblicher Teilnehmer auf Platz 8, der junge IM Patrick Zelbel räumte am Ende sogar den 3. Platz ab. Die Stellung ist ein gutes Beispiel zum Thema „der schwächere Spieler schlägt sich selbst“: Weiß hatte eine gute Partie gespielt, zuletzt aber den Bauern f4 aufgegeben, vermutlich, um sich auf a7 zu bedienen, unterlag nun aber einem Gespenst: 34. Da7: Ld5: 35. Dd4 Le4: 36. Le4: Te4: 37. Dd6:?? Te1+ 0-1.

Zweiter Tag

Der zweite Tag lief leider nicht sehr erfolgreich an. Gegen FM Bode (2329) opferte Sebastian mit Schwarz früh einen Bauern.Weiß nahm sich dann viel Bedenkzeit, arbeitete aber einen sehr starken Plan aus, die Königsstellung von Sebastian zu schwächen. Diese Partie ging verloren. Sehr bitter wurde die sechste Runde. Gegen Bräuer (2285) hatte Sebastian - erneut mit Schwarz - nach einer starken Partie irgendwann einen schnellen Gewinn verpaßt, aber musste nach einem Qualitätsverlust (gegen Bauer) um das Remis kämpfen. Dies gelang nicht.
 

Ein Blick auf das Turnierparkett.
Sebastian mit Schwarz gegen Franz Bräuer.
 
Es folgte ein spielfreier voller Punkt. In der letzten Runde machte Gegner Spivak (2344) bereits vor der Partie eine Art Remisangebot. Aber Sebastian wollte spielen und diese Partie wurde nochmal ein kleines Schmankerl. Man folgte 17 Züge lang einer Partie Carlsen - Kramnik, bis Schwarz dann abwich. Mein Kommentar dazu war: "Aber er musste irgendwann abweichen - schließlich hatte Kramnik verloren!" Sebastian widerlegte den schwarzen Aufbau und gewann etwas später Dame gegen Turm und Springer. Die Stellung des Gegners brach dann auch schnell zusammen. 4,5/9. Also am Ende immer noch 50%.

Aus der Schlußrunde:
 
IM An. Donchenko (2467) - GM Krämer (2542)
Stellung nach 53. … Sc2
 
Die entscheidende Stellung um den Turniersieg. Krämers direkter, punktgleicher Konkurrent GM Glek hatte seine Partie der letzten Runde zu diesem Zeitpunkt bereits remisiert. Schwarz hätte also bei einem Sieg den Titel sicher, bei Remis würde es einen Stichkampf geben. Remis hatte Schwarz einige Züge vorher abgelehnt. Weiß spielte jetzt 54. a5?? (notwendig war Th8 oder Th7, um evtl. Schachs "von hinten" geben zu können) und gab auf nach 54. … Le3 55. Td1 Sd4 56. Ta1 Tf2+.

Fazit

Eine gut organisierte Veranstaltung des DSB mit ordentlichen Spielbedingungen und reibungslosem Ablauf. Zur anschließenden Siegerehrung gesellten sich dann noch DSB-Präsident Bastian und (Ex-)Bundestrainer Bönsch. Der Turniersieg ging also an GM Krämer vor GM Glek und IM Zelbel. Bei den Frauen, die parallel spielten, gewann WGM bzw. IM Pähtz.

Sebastians Bilanz mit einer Ausbeute von 50% fiel sicherlich nicht so schlecht aus, auch wenn ein kampfloser Punkt darunter war. Auch das Ziel der oberen Tabellenhälfte wurde mit Platz 17 knapp verfehlt, aber dennoch war es ein Abschneiden neun Plätze über seinem Setzlistenrang. Und die Performance von ca. 2250 ELO war auch im Rahmen dessen.

Ein netter Trip, kann man gerne wiederholen.

- frank modder, 03.10.2013
 

Siegerehrung.
Mittig mit grünem T-Shirt der Turniersieger Krämer,
davor sitzend rechts Frauen-Siegerin Pähtz.