- Capelle la Grande Open, 2022 -
11.02. - 18.02.

 
Französische ELO-Revolution
 
Nach 2015 verschlug es uns zum zweiten Male nach Capelle la Grande, eine französische Gemeinde (ca. 8000 Einwohner) am östlichen Eingang des Ärmelkanals gelegen. Capelle wird vom Kanal nur durch die größere Stadt Dünkirchen getrennt (ca. 90.000 Einwohner). Und die kennt man natürlich auf Grund ihrer militärhistorischen Bedeutung.

5 Stunden Fahrt kann man verkraften. In Dünkirchen hatten wir eine kleine Ferienwohnung mit 75qm. Selbstverpflegung war angesagt! Die Vorräte, die wir mitnahmen, hätten auch noch für eine weitere Turnierwoche gereicht… Das Open hatte 9 Runden, Bedenkzeit Fischer Kurz, Einzelrunden waren der Normalfall, an zwei Tagen gab es Doppelrunden.
 

Arbeitsplatz in Capelle
Bei der Analyse

Covid-Boys

Capelle hat ein doppelt beschleunigtes Lossystem in einem großen Open für alle Spielstärken. Das führte z.B. beim Open 2015 für Sebastian zu einem üblen Ping-Pong-Spiel: 2400 - 1800 - 2400 - 1800 - 2500 - 1600 usw. Diesmal war es für ihn nicht besser. Bei mir lief es ähnlich. Irgendwann fand ich mich gegen 1300 und 1400 wieder.

Aber die Zahlen sind sehr verwunderlich. Massenhaft gewannen 1900er/2000er gegen 2200 und 2300, es gab sogar 1100er (wohl französische Zahlen, die Leute hatten dann keine ELO) die aufdrehten: So saß in Runde 7 ein 1100er an einem der vorderen Tische mit 4,5/6 und spielte gegen IM. Das war nicht nur dem System geschuldet: Er hatte u.a. gegen 2100 gewonnen… Und das war, wie gesagt, nicht die Ausnahme.

Auch ich hatte mit einem 1300er-Jungen meine liebe Mühe und Not. Sebastian zog zweimal gegen 1900 den Kürzeren - und gegen einen 2000er, der im Turnier schon 2300er und 2400er-Skalps hatte. Wir nennen solche Leute scherzhaft Covid-Boys - also Kids bzw. Jugendliche, die in den letzten 1-2 Jahren kaum gespielt haben, deren Zahl also nicht stieg, die aber durch Training und Online-Aktivitäten bereits deutlich zugelegt haben, was sich auf dem Papier aber noch nicht zeigt. Und die jetzt wieder ans Brett gehen.
 

Palast der Künste
Runde 3

Das Turnier

Zum schachlichen Teil: Hier gibt es wenig Erfreuliches. Ich konnte mal wieder meine Zahl gegen Schwächere nicht darstellen. Nur 2,5/4 gegen 1700er… Aber wie gesagt! Zwei Siegen gegen noch schlechtere Gegner standen dann drei Nullen gegen 2200ern gegenüber. Darunter ein junger FM und ein IM. Da verliert man in Summe ein paar ELO-Punkte. Weiter unten zwei kleine Partieausschnitte.

Sebastian verlor zum Auftakt gegen den an „2“ gesetzten GM Fedorchuk, leider dann auch noch gegen einen Covid-Boy mit 1900. Der hat dann gleich in der nächsten Runde einen IM ausgepeitscht, immerhin konnte sich der Meister da noch in ein Remis retten… Aber - wie gesagt!

Es folgten drei Siege in Folge, bevor der nächste verdächtige 1900er kam. Sebastian stand vernünftig, ein vierter Sieg en suite war möglich, aber der Gegner spielte sehr streng. Im Endspiel hätte Sebastian zum Remis abwickeln sollen, wollte aber zuviel und wurde überspielt. Damit war das Turnier natürlich endgültig versaut.

Es folgten noch zwei klare Siege gegen 1800 und 1900 und am Ende der dritte Jugendliche mit 2000. Und diese Partie ging nach einem Fehler in der Eröffnungsphase letztlich verloren. Hier auch zwei Partieausschnitte von Sebastian:

Partieausschnitte

Frank - Aggoune (1750) 1:0. Nach ausgelassenen Chancen musste ich ein trübes Endspiel kneten.
Frank - IM Mannion (2280) 0:1. Gegen den schottischen IM hatte ich Remischancen im Endspiel.

Kocur (1800) - Sebastian 0:1. Eine wundersame Rettung einer verlorenen Stellung. Diesmal kein jugendlicher Gegner, sondern ein älteres Semester - und auch die Alten können sich ins Brett verbeißen! Sebastians Rettung ließ Lazarus wie einen blutigen Anfänger aussehen.

Duson (1980) - Sebastian 0:1. Vielleicht die beste Partie von ihm. Eine Einbahnstraße.

Fazit

Das Turnier ist gut organisiert, die Spielbedingungen und Rundenansetzungen sind vernünftig. Das Lossystem ist aber nicht allzu glücklich. Man müsste mehr Leute bekommen, die nicht so weit von der eigenen Spielstärke wegliegen. Darauf wartet man aber lange. Ansonsten jedoch ein guter Trip. Der Ort ist nett, die Unterkunft war gut - und auf dem Nachhauseweg bekamen wir auch noch Rückenwind von Zeynep. Wenn man DEN Schwung in die nächsten Turniere mitnehmen kann, sollte einem nicht Bange sein!

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Capelle la Grande Open

- frank modder, 01.03.2022
 

Turnierarena