- Haspa Schachpokal, 2016 -
Bargteheide (Hamburg)
05.05. - 08.05.
 

Müer/Modder auf Himmelfahrtskommando in Schleswig-Holstein
Trotz Verstärkung des Teams verhindert letzte Runde besseres Ergebnis
 
Erster Auftritt nach Reykjavik

Himmelfahrt mitsamt Brückentag ist für Schachspieler immer Gelegenheit, an einem Open teilzunehmen, anstatt bei sommerlichen Temperaturen vor dem heimischen Grill die Füße hochlegen zu müssen. Diesmal ging es für uns nach Bargteheide. Ein beschauliches Örtchen, gelegen im Speckgürtel Hamburgs, allerdings geographisch angesiedelt in Schleswig-Holstein. Wir quartierten uns ein in einem Gästehaus im Nachbarort Ahrensburg.

Teil des Teams war diesmal der „armenische Löwe“ Spartak Grigorian, der ja in der Vergangenheit sporadisch schon mal mit dabei war, hier erlebte er erneut alle emotionalen Höhen und Tiefen einer Schachfahrt mit M&M. Das stählt für den Angriff auf den IM-Titel! Anreise war bereits am Mittwoch Abend, um Streß zu vermeiden. Auch der Zeitplan erwies sich als recht machbar trotz Doppelrunden. Das Ganztageszentrum lag in einer parkähnlichen Landschaft und war eine entspannende Angelegenheit.

In 3 Open mit jeweils ca. 80 Teilnehmern wurden 7 Runden CH absolviert, Bedenkzeit war das bewährte Fischer Kurz. Wir starteten im A-Turnier (ab 1800), hier waren Sebastian und Spartak in den Top 20 gesetzt. Ich selber war eher im unteren Viertel angesiedelt, aber das gab die Möglichkeit, gegen gute Leute anzutreten, was mir wesentlich mehr liegt, als gegen Schwächere irgendwelche Londoner Systeme, Colle-Aufbauten und andere Betonmischer-Varianten aufbrechen zu müssen. Nun denn!

Tag 1

Bast trat zum Auftakt am Donnerstag Morgen gegen 1965 an. Ich gebe mal immer nur die ELO-Zahl an. Die DWZ, so habe ich ausgerechnet, war bei unseren Gegnern in diesem Turnier im Schnitt 50-60 Punkte niedriger als die ELO. Sebastian hatte Schwarz. Und an dieser Stelle hat er wirklich Pech, denn in den letzten 8 Turnieren hatte er 7x die Arschkarte einer Schwarzpartie mehr gezogen. Hätte er also beim Roulette immer auf einfache Chance gesetzt, wäre er kaputtgegangen.

Seinen älteren Gegner hatte er ganz gut im Griff, bis er schließlich eine Qualität opferte. Das war kritisch, und im Nachhinein sah Sebastian es auch als unnötig an. Der Gegner hätte sonst etwas passiver gestanden, bzw. die Stellung war bis dato leicht vorteilhaft für Sebastian. Die Lage wurde aber jedenfalls nun komplexer und Weiß verlor den Überblick. Bast konnte einfach seine Figuren effektiver einsetzen und kassierte zwei Bauern und den Punkt.

In der Nachmittagsrunde kam dann Musik auf’s Brett - wortwörtlich. Denn außerhalb des Gebäudes feierte auf den umliegenden Wiesen die Ahrensburger Jugend den Vatertag mit Ghettoblaster und Co. Die akustische Untermalung wirkte aber durchaus inspirierend. Gegen 2086 mit Weiß hatte Bast wenig Mühe, das Spiel seines Gegners am Königsflügel war zu langsam, während er selber den kompletten Damenflügel aufrollte. 2,0/2, ein solider Auftakt.

Mein erster Gegner (2152) ließ sich mit Schwarz enorm viel Zeit mit seinem Spiel am Damenflügel, während ich auf der anderen Flanke seinen König ins Visier nahm. Ich ließ ihn aber etwas entwischen und am Ende stand ich selber etwas unter Druck, wenn auch nie rechnerisch schlechter, jedoch hatte ich einmal Glück mit einer bestimmten Ressource. Am Ende griff er fehl und verlor Material, was mir einen unverhofften ganzen Punkt eintrug.

Zufrieden sein konnte ich auch mit der Eröffnung und weiten Teilen des Mittelspiels am Nachmittag gegen 2197. Letztlich landeten wir in einem Endspiel mit Dame+Turm, hier verpasste ich leider die Möglichkeit, zumindest für Ausgleich zu sorgen und ein Remis mitzunehmen, da ich seinen Freibauern zu stark werden ließ.

Alle Diagramme lassen sich anklicken zwecks Vergrößerung
 

Runde 1
Modder - Wollenweber
Stellung nach dem 51. Zug von Weiß

Hier nun spielte Schwarz 51. ...  Tc2 und es sah fast schon so aus, als wäre ich geplatzt. Jedoch 52. Lxe6+! Mein Gegner hätte nun Ke7 spielen müssen, und nach Lb3 stehe ich wohl noch etwas besser. Er hatte die Partie jedoch bereits als gewonnen für sich abgehakt und griff a tempo den Turm an nach dem Motto "was will er noch": 52. ... Kc7? 53. Tc8+ und er musste aufgeben.

Tag 2

Sebastian hatte mit IM Carlstedt (2458) einen Topgesetzten - mit Schwarz, natürlich. Bast bekam eine starke Stellung und gab eine Qualität. Doch die Lage wurde zunehmend komplex und Basts Vorteil war wohl nicht so groß wie es schien. Er ließ dann einen gegnerischen zentralen Freibauern zu stark werden und es gelang ihm leider nicht, aus dieser Partie etwas mitzunehmen.

Am Nachmittag mussten wieder Hausaufgaben gemacht werden gegen 2119. Sebastian stand hier eigentlich ganz zufriedenstellend, aber dennoch wohl ungefähr noch ausgeglichen, aber bei einem kleinen taktischen Scharmützel stampfte der Gegner durch wohl einen Black-Out einen ganzen Turm ein. 3,0/4. Mit 3 Punkten aus 3 Partien war unser dritter Mann Spartak gestartet und lag vor der 4. Runde auf Platz 1. Dort kam es dann zum Duell gegen den jungen Profispieler Dmitrij Kollars. In einem Turmendspiel konnte Spartak hier mit Schwarz eigentlich locker Remis machen, aber er räumte seinem Gegner zweimal eine Chance ein, die Zweite wurde von Dmitrij genutzt. Damit Spartak auch bei 3,0/4 wie Sebastian.
 

Runde 3
Carlstedt - Müer
Stellung nach dem 19. Zug von Weiß

Sebastian gab jetzt hier die Qualität mit 19. ... Txe5, aber er verbrauchte für diesen klar besten Zug auch 20 seiner bis zur Zeitkontrolle verbliebenen  25 Minuten. Nach 20. Lf4 Sh5 21. Lxe5 Lxe5 22. Df3 f5 23. Ta-d1 wäre nun Dd6 recht vorteilhaft gewesen, aber es folgte 23. ... b4 24. d6 mit ungefährem Ausgleich. Später wie gesagt verlor Bast diese Partie.

Bei mir gab es am Morgen eine Eröffnungskatastrophe. Das war sicherlich auch etwas der Umstellung meiner Eröffnungen geschuldet, derzeit schlage ich mit 1. e4 und 1. d4 auf, wobei ich aber mit dem Königsbauern noch nicht die Erfahrung habe wie mit d4. Dennoch war der Bauernverlust in dieser Partie vermeidbar und wohl eher meiner Dusseligkeit geschuldet denn mangelnder Kenntnisse der Eröffnung. Ich kämpfte gegen 2102 noch ewig weiter, aber konnte es nicht mehr retten.

In der zweiten Partie des Tages bekam ich mit Schwarz gegen einen jungen Gegner mit 2011 Punkten schnell angenehmes Spiel. Beide hatten wir lang rochiert, am Damenflügel war in der Folge nicht allzu viel los, aber ich hatte vernünftige Kontrolle im Zentrum und gutes Druckspiel am Königsflügel. Er verteidigte sich jedoch gut, und trotz eines Engine-Vorteils für mich von 1,5 Bauern war nicht ersichtlich, wie man durchbrechen sollte, auch die Maschinen haben da nichts anzubieten. Schließlich Remis durch Zugwiederholung. Das war relativ ok, der Gegner war zwar erst 13, aber seine DWZ auch fast bei 2000. In der Hinsicht sollte es jedoch schlimmer kommen. Hier aber erstmal die Schlußstellung dieser Partie:
 

Runde 4
Holinka - Modder
Sclußstellung

Tag 3

Sebastian bekam wieder einen aus den vorderen Bereichen der Setzliste, den jungen Hamburger Malte Colpe (2385). Selbstverständlich mit Schwarz. Interessant war übrigens, dass Basts alle bisherigen Partien in diesem Turnier maximal gut 30 Züge dauerten. Ungewöhnlich für ihn, normalerweise hat er einen Schnitt von 50 Zügen… Aber das erleichtert zumindest die Partienerfassung hinterher.

Sebastian überspielte seinen Gegner scheinbar, der etwas langsam eröffnete und schließlich eine bekannte Theoriestellung mit einem Tempo mehr für Schwarz „erreichte“. Bast wollte dann mit einem Opfer den Deckel draufmachen, hier übersah er jedoch eine Ressource und am Ende verlor er seinen Springer gegen zwei Bauern. Das Endspiel konnte er trotz zweier Freibauern nicht mehr retten, der einzig verbliebene Bauer von Weiß machte stattdessen das Rennen. Festhalten sollte man, dass die anschließende Bewertung tatsächlich einen zeitweisen Vorteil vor dem Opfer aufwies, allerdings hatte auch Weiß bessere Züge ausgelassen, so dass die Bewertung durchaus schwankte.
 

Runde 5
Colpe - Müer
Stellung nach dem 35. Zug von Weiß

Hier muss man wohl auf f1 tauschen und dann mit f5 weiter Druck machen. Sebastian meinte aber bereits eine gewinnbringende Kombination anbringen zu können: 35. ... Sxh3. Irgendwie hatte er wohl gemeint, da dürfe Weiß nun gar nicht schlagen, aber Malte nahm weg und am Ende blieb der materielle Nachteil.

Am Nachmittag hatte Sebastian Weiß gegen 2182. Sicherlich keine leichte „Hausaufgabe“, aber ein Sieg sollte das Ziel sein. Sein Gegner hatte am Anfang des Turniers einen Coup gelandet, indem er die Nr. 1 der Startliste, den russischen Großmeister Epishin, umhaute. Sebastian gewann einen Bauern und schien recht schnell auf die Siegerstraße zu geraten, aber immerhin schaffte der Gegner mit einem Freibauern gewisses Gegenspiel. Letztlich fand Sebastian nichts Besseres als die Abwicklung in ein ungleiches Läuferendspiel mit zeitweise zwei Mehrbauern. Der Gegner griff hier einmal fehl und Bast konnte in einer Situation gewinnen, aber fand es nicht und schließlich wurde die längste Partie dieser Runde Remis.
 

Runde 6
Müer - Eriksson
Stellung nach Zug Nr. 61 von Schwarz

In dieser Stellung gab es die Möglichkeit zum Sieg für Weiß: 62. g6 mit der Drohung g7 und nach 62. ... Lc3 holt sich Weiß den Bauern auf h5 ab - und den Punkt. Nach dem schnell gespielten 62. Kf5 Lc3 63. g6 h4 konnte Weiß den h-Bauern nicht mehr aufsammeln und Schwarz sich dadurch retten.

Meine erste Partie am letzten vollen Spieltag gegen 2035 war sehr taktisch geprägt, blieb aber wohl immer im Bereich = oder += in eine Richtung. Im Endspiel Dame+Läufer+Springer wollte er die Damen tauschen, wessen ich auswich. Ich selber wollte die Züge wiederholen, wo er dann auswich. Letztlich „tappte“ er doch in eine 3malige Wiederholung in ausgeglichener Stellung. Jedoch: Spartak fand die Stellung besser für mich, während Sebastian für meinen Gegner votierte. Man mache sich selbst ein Bild: Wer will Damentausch und wer steht wann besser.
 

Runde 6
Modder - Kurth
Schlußstellung

Nachmittags zog ich gegen 2122 eine lange Theorievariante weg, aber das entstandene Endspiel war wenig theoretisch und wurde von meinem Gegner besser beherrscht. Ich stampfte zudem meinen isolierten Bauern ein nach ein paar schwachen Zügen. Mein Gegner musterte in dieser Phase mein Namensschild neben dem Brett, auf dem auch die Zahlen notiert waren. Motto vielleicht: „Wieviel hat dieser Patzer?“. In der Folge kämpfte ich und wollte eine Festung aufbauen. Mein Gegner tat sich hier ziemlich schwer und machte merkwürdige Manöver mit seinem König. Hier drehte ich sein Namensschild zu mir und studierte erstmal die Angaben zu seiner Rating. 

Letztlich war meine Stellung aber zu schlecht und Weiß erzielte doch Fortschritte irgendwann und gewann einen zweiten Bauern, danach gab ich relativ schnell auf. Eine unbefriedigende Partie, hier fehlte mir einfach eine gewisse Technik im Endspiel. Die Eröffnung war bestimmt zufriedenstellend für mich gewesen.

Tag 4

Bis dato war das Turnier sicherlich kein Erfolg für uns, aber im Grunde war alles „im Rahmen dessen“. Sebastian lag sogar etwas im Plus, während ich mich bei +/- Null bewegte. Aber die letzte Runde machte es dann doch noch negativ. Sebastian stöhnte, dass sein Gegner mit 2174 und Weiß anscheinend gar nichts wolle, aber er selber rührte dann ziemlich drin herum, wonach sein Gegner Vorteil bekam und dann sehr streng fortsetzte, Bast verlor diese Partie relativ schnell.

Spartak beendete das Turnier mit satten 5 Punkten. Doch es muss auch mitlaufen: In der letzten Runde hatte er seine 4. Weißpartie und bekam einen Gegner hochgelost mit 1700. Aber er spielte insgesamt ein gutes Turnier, mit Niederlagen gegen die starken Kollars und den ehemaligen Schachzwerg Feuerstack (2452). Platz 6 in der Abschlußtabelle. Ratingzuwachs moderat mit +10.

Ich bekam in meiner letzten Partie wieder einen 13jährigen Gegner zugeteilt, aber mit lediglich 1850 Wertungspunkten. Immerhin war er der amtierende Hamburger U14-Meister. Also erstmalig war ich im Zugzwang, immerhin mit Weiß. Die Eröffnung machte mir etwas Probleme, aber nachdem Schwarz seinen typischen Gegenspielzug im Zentrum nicht durchsetzen konnte, fühlte ich mich eigentlich als Sieger der Eröffnungsschlacht. Schließlich konnte ich einen Bauern gewinnen und es ging auch direkt ins Doppelturm+Springer-Endspiel.

Aber auf Grund aktiver Figuren hatte er wohl vollständige Kompensation, zudem begann er dann sehr stark zu spielen und erteilte Lehrstunden in der Behandlung von Endspielen und schnürrte mich völlig ein. Ich spielte wohl etwas zu passiv und klammerte mich zu lange an mein Material, bis ich dann mit meinem König auch noch besoffen in einen Angriff taumelte. Ich konnte diese Partie nicht mehr retten. Hier die Phase des Bauerngewinns:
 

Runde 7
Modder - Pfreundt
Stellung nach Zug Nr. 16 von Schwarz

Wer hätte sich hier nicht für den Bauerngewinn entschieden mit 17. Sd5 Sxd5 18. exd5 Se5 19. Dxb5 Dxb5 20. Lxb5. Er hätte es vermeiden können mit Sa7 statt Se5, aber steht dann passiv. Ich meine, man muss doch so spielen mit Weiß! Es folgte 20. ... c6 21. dxc6 bxc6 22. Le2 La6. Jetzt musste man überlegen, welche Leichtfigurenkonstellation man spielen wollte. Aber dass ich in dieser recht simpel anmutenden Stellung trotz Mehrbauer keinen Vorteil habe, hätte ich nicht vermutet. Verlieren musste ich natürlich nicht mehr. 

Fazit:

Das gezeigte Schach war vor allem bei Sebastian nicht das Schlechteste, aber es fehlten am Ende einfach die Resultate. Jeden halben Punkt musste man hier mit den Zähnen greifen, geschenkt gab es nichts. Bei mir was es ähnlich, allerdings habe ich zwei Partien durch Bauerneinsteller weggestampft. Bast und ich haben jeweils etwa 10 Punkte verloren. Ansonsten war die Organisation gut und die Spielbedingungen – zumindest im A-Turnier – okay, es sei denn, man saß in der letzten Reihe, was mir leider mehrfach passierte!

An- und Abfahrt fanden natürlich im besten Reiseverkehr statt, das ist ein Nachteil, aber ansonsten eines der stressfreiesten doppelrundigen Turniere. Stress macht man sich höchstens selber, wenn es z.B. darum geht, pünktlich zu Rundenbeginn am Brett zu sein - und hier spielten Sebastian und ich uns die Bälle zu… man muss es vermutlich erlebt haben. Spartak hat es hoffentlich wohlbehalten überstanden.

Das nächste Abenteuer findet wohl im Juli im tschechischen Pardubice statt.

Hier noch der Link zur Turnierseite:

Offizielle Turnierseite

- frank modder, 14.05.2016