Robert Hübner
1948 - 2025
Im Alter von 76
Jahren starb am 5. Januar Deutschlands bester Schachspieler der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts. Man muss dazu etwas sagen, man will dazu
etwas sagen. Hübner spielte zum Jahreswechsel 1980/81 das Kandidatenfinale,
nur noch Viktor Kortschnoi stand ihm im Wege, um ein WM-Match bestreiten
zu können. Dieses Ereignis löste in Deutschland einen zweiten
kleinen Schachboom aus. Für den Ersten sorgte der amerikanische Robert,
Bobby Fischer, 1972.
Hübner ist die
Überfigur des deutschen Schachs nach Weltmeister Emanuel Lasker. Auf
Weltmeisterschaftsebene gibt es kaum einen Deutschen, der seinen Erfolgen
nahekommt. 1981 war er auf Platz 3 der Weltrangliste und stand wie erwähnt
im Kandidatenfinale, von welchem er sich nach dramatischem Verlauf überraschend
zurückzog. Der Stoff für Legenden…
Der Kölner Hübner
schoss im Alter von 22 Jahren in die Weltspitze, als er sich im berühmten
Interzonenturnier von 1970, welches triumphal von Fischer gewonnen wurde,
als geteiler Zweiter sensationell für die Kandidatenrunde qualifizierte.
Auf Grund der schlechten Spielbedingungen setzte Hübner bei einem
3:4-Rückstand sein Kandidaten-Viertelfinale gegen Ex-Weltmeister Petrosian
nicht fort und reiste ab. Es sollte wie gesagt nicht das letzte Mal bleiben.
Im übernächsten
WM-Zyklus scheiterte Hübner dramatisch im Interzonenturnier 1976 in
Biel in der vorletzten Runde erneut ausgerechnet an Petrosian. Hübner
ließ ein kurzzügiges Matt aus (oder Damenverlust für Petrosian)
und verlor diese Partie und am Ende die Qualifikation für die Kandidaten.
Dies gelang ihm dann 1979 in Rio de Janeiro beim dortigen Interzonenturnier.
Wieder einmal unter kuriosen Umständen: Hübner hatte in der letzten
Runde spielfrei und musste auf die Ergebnisse der Gegner hoffen. Aber Hübner
blieb nicht vor Ort, sondern reiste ab.
Nachdem sein Konkurrent
Jan Timman knapp einen Sieg verpasst hatte, stand Hübners Qualifikation
für die Kandidaten fest. Dort besiegte er die Ungarn Adorjan (Viertelfinale)
und Portisch (Halbfinale), bevor es dann zum eingangs erwähnten Kandidatenfinale
gegen Kortschnoi kam. Hübner lag vorne, stellte aber in der 7. Partie
denkwürdig einen Turm ein. Laut Hübner war das aber die Folge
von Problemen, nicht deren Ursache. Ein paar Partien später
reiste Hübner ab, scheinbar war ihm der ganze (Presse-)Rummel zu viel
geworden. So sagt es die Legende…
Hübner nahm einen
letzten Anlauf - und schuf einen weiteren Mythos: 1983 - Hübner war
automatisch für die Kandidatenrunde qualifiziert - traf er im Viertelfinale
auf den Ex-Weltmeister Smyslow. Dieses Match endete unentschieden, woran
auch zusätzliche Partien nichts änderten. So musste nach den
damaligen Regularien das Los entscheiden. Man ließ das Roulette im
örtlichen Casino den Sieger bestimmen. Aus Protest reiste Hübner
ab, die Zeremonie fand ohne ihn statt. Es kam zunächst die Null, beim
zweiten Wurf kam Rot (3) - Smyslow war weiter.
Neben seinen WM-Erfolgen
war Hübner promovierter Altphilologe, er legte seinen Fokus auf die
Übersetzung antiker Manuskripte. Weiterhin hatte er wohl auch ein
Talent für Sprachen. Schachlich machte Hübner nochmal in den
90er Jahren von sich reden, als er versuchte, Schachpartien urheberrechtlich
schützen zu lassen. Damit kam er nicht durch.
Hübner trat mehrfach
als Buchautor in Erscheinung, leider viel zu selten, wie ich finde. Was
hätte er alles über seine Wettkämpfe zu erzählen gehabt!
Was er schrieb, war aber meist von hoher Qualität. Zu nennen wäre
sein Werk „25 annotated games“ sowie „Materialien zu Fischers Partien“,
in welchem er hauptsächlich Bobby Fischers sechzig denkwürdige
Partien untersucht. Sehr viel Genuß hat mir auch sein Buch über
die Weltmeisterschaftskämpfe von Emanuel Lasker bereitet („Der Weltmeisterschaftskampf
Lasker - Steinitz 1894“). Schön auch viele seiner Aufsätze und
Beiträge in deutschen Schachpublikationen. So nahm er denkwürdig
Kasparovs erstes Buch von dessen Vorkämpfer-Reihe auseinander.
Es bleibt noch eine
lustige Episode aus eigener Erfahrung: Hübner spielte vor vielen Jahren
einen Bundesligakampf mit seinem Verein als Gast von Werder Bremen. Bremen
bat hier die Zuschauer mit ein paar Euro Eintrittsgeld zur Kasse. Dies
wurde auch vom dem hereinschlendernden Hübner verlangt. Ob als Scherz
oder versehentlich - Hübner blieb knochentrocken und zahlte die Gebühr.
Es bleibt nur zu sagen:
Ruhe in Frieden. Hübners Tod ist auch ein Abgesang auf eine goldene
Epoche des Schachs, nicht nur in Deutschland. Eine schon lange unwiederbringlich
verloren gegangene Zeit. Schließen wir mit einem Zitat von Carl Zuckmayer:
„Die Welt ist untergegangen. Einst. Das war einmal. Ihre letzten Geräusche
sind längst verklungen.“
frank modder, 05.01.2025
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Hübner in
Nordhorn 2008
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